■ Kroatien ist in den Europarat aufgenommen worden: Demokratie einfordern
Der Kriegswitz, die nationalistischen Parteien im ehemaligen Jugoslawien hätten ihr Versprechen gehalten, ihre Bevölkerungen nach Europa zu führen, ist in der Tat schon etwas angegraut. Die meisten Flüchtlinge und Vertriebenen kommen ja bald zurück. Mit Blick auf die Stabilisierung des Friedens steht jetzt die Integration der Nachfolgestaaten Jugoslawiens in die EU auf der Tagesordnung. Die Republik Restjugoslawien wurde kürzlich diplomatisch anerkannt, und die Republik Kroatien wurde gestern in den Europarat aufgenommen.
Die kroatische Bevölkerung interpretiert diesen Schritt zu Recht als ein erstes Zeichen für eine spätere Integration in die Europäische Gemeinschaft. Damit ginge ein Traum in Erfüllung, fühlen sich doch die Kroaten wie die Slowenen und die Bosnier als Teil der westlichen Welt. Handfester jedoch noch ist der Wunsch, nach all den Jahren der Isolierung wieder ökonomisch Anschluß zu finden an die Entwicklungen der modernen Zeit.
Politisch jedoch waren immerhin einige Hürden aufgebaut. Denn die Kritik an dem autokratischen und undemokratischen Verhalten des kroatischen Präsidenten Tudjman hat die Aufnahme verzögert und fast scheitern lassen. Das erst kürzlich verabschiedete Pressegesetz, das sich an jenes der kommunistischen Zeit anlehnt und die (verunglimpfende) Kritik am Präsidenten strafbar macht, sowie das nach dem Wahlsieg der Opposition entstandene Hickhack um das Bürgermeisteramt in Zagreb sind auf Kritik gestoßen. Wenn jetzt dennoch der Aufnahme Kroatiens zugestimmt wurde, ist dies vor allem einem Teil der Opposition zu verdanken, die aus übergeordnetem Interesse die Aufnahme Kroatiens in den Europarat empfohlen hat.
Daß auch strategische Interessen eine Rolle spielen, trübt das Bild. Denn langfristig sind auch diese Interessen vor allem in der Entwicklung einer rechtsstaatlich funktionierenden Demokratie aufgehoben. Und mit welchem Recht wollte der Europarat dann Serbien die Respektierung der demokratischen Rechte zur Bedingung einer Normalisierung machen, wenn diese Bedingungen gegenüber Kroatien verwischt wurden? Leider gibt es Kräfte im Europarat, die aus taktischen Gründen der Integration Kroatiens zustimmten, um die Hürden für Milošević zu verkleinern. Auch das sollte zu denken geben. Erich Rathfelder
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