piwik no script img

Demokratie als Bauherr im preußischen Landtag?

»Die Demokratie als Bauherrn« würdigte Parlamentspräsidentin Hanna-Renate Laurien (CDU) gestern in einem Festakt im ehemaligen preußischen Landtag, der damit offiziell für die Restaurierung freigegeben wurde. Im Herbst 1992 will das Berliner Abgeordnetenhaus in den geschichtsträchtigen Bau gegenüber dem Martin-Gropius-Bau im Bezirk Mitte Einzug halten — für ein Stadtparlament ein wahrhaft pompöser Sitz. Der parlamentarische Hauptausschuß genehmigte für den Umbau des im Zweiten Weltkrieg stark zerstörten Gebäudes letzte Woche rund 57 Millionen Mark — trotz der angespannten Haushaltslage der Stadt. Von den geladenen Fraktionsspitzen des Abgeordnetenhauses fanden gestern nur die wenigsten Zeit, den Ort ihres zukünftigen Wirkens zu besichtigen. In der Feierstunde in den Rudimenten des Plenarsaals, die mit musikalischen Untermalungen von Schülern den Charme einer Abiturfeier hatte, erinnerte Laurien an die Geschichte des Hauses, das von 1899 bis zum Ende der Weimarer Republik Sitz des Preußischen Landtags war. 1934 bauten es die Nationalsozialisten zum Haus der Flieger um und gliederten es dem benachbarten Luftfahrtministerium an. Zu DDR-Zeiten hatten verschiedene Ministerien dort ihren Sitz, der runde Plenarsaal mit der Glaskuppel wurde jedoch nie restauriert und wieder in Gebrauch genommen. Als bedeutsam »für die Interpretation unserer Stadt, für ihren Umgang mit Geschichte« bewertete Laurien den Ort preußischer Demokratiebestrebungen. Daß Preußen mit seinem Dreiklassen-Wahlrecht bis 1918 nicht gerade eines der fortschrittlichsten deutschen Länder war, mußte auch Laurien einräumen. Eine Frage blieb beim Festakt in Ruinen ausgespart: Die PolitikerInnen fast aller Parteien in Berlin sind sich einig in dem Ziel, irgendwann in der Zukunft ein gemeinsames Bundesland mit Brandenburg zu bilden. Als Ausgleich für die Hauptstadt wird der berlin-brandenburgische Landtag seinen Sitz sicher in Potsdam haben ... kd

Foto: Jan-Erik Ouverkerk

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen