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Archiv-Artikel

NEONAZI-DEMONSTRATIONEN SIND NICHT PER SE ZU VERBIETEN Demokraten auf dem Holzweg

Das Unternehmen konnte nur schief gehen. Mit einem Paket entschlossener Regelungen wollten die Regierungsfraktionen ein Zeichen gegen den erstarkenden Rechtsextremismus setzen und Neonazi-Demonstrationen gezielt einschränken. Nach dem neuesten Gesetzentwurf wird das Unternehmen aber zur symbolischen Nullnummer. Es gibt zwar Verschärfungen, aber diese bieten keine Möglichkeit, die für den 8. Mai geplante NPD-Demonstration am Brandenburger Tor oder den jährlichen Rudolf-Hess-Gedenkmarsch in Wunsiedel zu verbieten.

Vorwerfen kann man Rot-Grün aber nicht das Ergebnis, sondern nur, dass sie sich überhaupt auf diesen Holzweg begeben haben. Der Staat wird sich fast immer blamieren, wenn er in der freiheitlichen Demokratie versucht, rechtsradikale Äußerungen und Versammlungen zu kriminalisieren. Wer bestimmte Demonstrationen per se verbieten will – ohne Schlupfloch und Schleichweg –, wird und muss am Bundesverfassungsgericht scheitern. Solange die Karlsruher Richter ihren Job ernst nehmen, und daran besteht im Moment keinerlei Zweifel, wird den Rechtsradikalen immer ein Mindestmaß an Möglichkeiten verbleiben, sich öffentlich zu äußern und zu versammeln.

Dann aber bleibt den Extremisten, die ja auch nicht alle blöd sind, genügend Spielraum, sich neue Provokationen auszudenken. Sie werden immer genau das tun, was zwar noch legal ist, aber von der politischen Klasse als unerträglich empfunden wird. Es ist ein Hase-und-Igel-Spiel, bei dem sich der Staat nur lächerlich machen kann. Es wird große Ankündigungen geben à la „Wir lassen uns nicht am Nasenring durch die Manege ziehen“ (Dieter Wiefelspütz). Und am Ende wird genau das passieren. Unausweichlich.

Es gibt strategisch nur einen Ausweg aus der Misere. Die Politik muss mit ihren autoritären Versprechungen aufhören und stattdessen souverän für die Meinungs- und Versammlungsfreiheit eintreten. Denn die Freiheit ist ein Wert an sich, der eben die Demokratie um so viel lebenswerter macht als jede Diktatur. CHRISTIAN RATH