: Dem Tschador entkommen
Abgelehnte iranische Asylbewerberinnen machen Kopftuchstreit ein Ende – sie reisen in die USA aus
von SEBASTIAN FISCHER
Die Auseinandersetzung eröffnete das Ausländeramt in Nürnberg. Ende 1999 sollten zwei abgelehnte iranische Asylbewerberinnen vorgeführt werden, um für Passfotos mit Kopftuch fotografiert zu werden. Das Bild war für die Abschiebung notwendig: Denn der Iran lässt Frauen nur einreisen, wenn sie im Pass mit Kopftuch abgelichtet sind. Doch die beiden Frauen, die 36-jährige Nosrat Haj Soltani und ihre 15 Jahre alte Tochter Sahar Matochi, weigerten sich. Die beiden waren nach Deutschland gekommen, weil ihr Ehemann und Vater im Iran politisch verfolgt wurde.
Der Fall ging vor das Verwaltungsgericht Ansbach, von dort nach München an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Jetzt, da bald mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zu rechnen ist, scheint der Rechtsstreit erledigt – mangels Klägerinnen. Gestern verließ die Familie Deutschland in Richtung USA.
Der Nürnberger Stadtrechtsdirektor Hartmut Frommer geht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht das Verfahren nun für erledigt erklären wird. „Ich rechne nicht mit einer Entscheidung in der Sache.“
Nosrat Haj Soltani und Sahar Matochi sind zwar außer Landes, und im eigentlichen Sinne besteht damit kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Doch das Bundesverfassungsgericht kann den Fall als „wichtige verfassungsrechtliche Frage einschätzen und eine Entscheidung fällen“, sagt Gisela Seidler, die Rechtsanwältin der beiden Iranerinnen. „Denn es wird wieder solch einen Fall geben, und ohne Karlsruher Urteil müsste der dann wieder durch alle Instanzen.“
Rechtsanwältin Seidler hat zuvor schon zwei andere Iranerinnen vertreten, die sich geweigert hatten, den Tschador zu tragen. Die zwei sind schon im letzten Jahr in die USA ausgereist. „Über das Diakonische Werk in Nürnberg kann man einen Antrag beim US-Konsulat in Frankfurt stellen und ein Einreisevisum erhalten. Recht schnell wird man dann in den USA als Flüchtling anerkannt.“
In Karlsruhe wartet man derweil auf eine offizielle Mitteilung aus Nürnberg, dass Haj Soltani und ihre Tochter Deutschland verlassen haben. Erst dann könne entschieden werden, ob der Fall zu Ende geführt werde.
Rechtsanwältin Seidler zeigte sich gestern überrascht, dass ihre Mandantinnen ausgereist sind. Informiert worden sei sie nicht. Dennoch könne sie die beiden Frauen verstehen: „Im Grunde genommen ist es richtig gewesen, sich dem ewig langen Kampf mit deutschen Behörden und Gerichten zu entziehen.“
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