Kommentar: Dem Staat nie glauben
■ Stadtamt lehrt Demokratie - vgl. S.22
Der Staatsbürger, so lehrt uns das Bremer Stadtamt, darf nichts glauben und muß insbesondere die Bereitschaft von Beamten anzweifeln, Gerichtsentscheide zu respektieren. In einem Urteil, das nichts an Eindeutigkeit vermissen ließ, hatte das Bremer Amtsgericht in zwei Fällen Bußgeldbescheide gegen den Umweltschützer Gerold Janssen vom Höchst-Satz auf ein Viertel der Summe, die das Stadtamt für angemessen hielt, herabgesetzt. Wer mit 100 km/h durch einen Ort fährt, so sagte der Richter, für den soll es ein höheres Bußgeld geben als für einen, der mit Akryl-Lack eine Umweltschutz-Parole aufs Pflaster malt.
Doch das Stadtamt läßt sich davon nicht beeindrucken: Für eine Pflaster-Parole, die die Polizei für so harmlos hielt, daß sie den Umweltschützer ruhig weitermalen ließ, soll er nun wieder den Bußgeld-Höchstsatz zahlen.
Gerold Janssen kann sich dafür bedanken. Erstens gönnt es ihm einen weiteren leichten Erfolg vor Gericht. Zweitens führt das Stadtamt exemplarisch vor: Wer Demokratie ernst nimmt, darf nie davon ausgehen, daß etwas schon deshalb richtig ist, weil staatliche Stellen ihren Segen gegeben haben. Der Versuch, dem Umweltschützer mit offenkundig willkürlichen Bußgeldbescheiden beikommen zu wollen, zeugt – drittens – von grotesker Naivität. Dafür trägt der Innensenator letztlich die politische Verantwortung. Klaus Wolschner
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