piwik no script img

Dem Bund gehen die „sicheren Drittstaaten“ aus

■ Nach Gambia mußte die Regierung auch den Senegal von der Liste streichen

Berlin/Bonn (taz) – Die Bundesregierung sieht sich mehr und mehr gezwungen, einen Bestandteil ihrer 1993 verabschiedeten Asylrechtsänderung zu korrigieren. Die Regelung, daß Asylanträge von Flüchtlingen aus sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ automatisch abgelehnt werden, bröckelt. Die einstige Liste der Länder, die als „sichere Herkunftsstaaten“ gelten, hat sich als fragwürdig erwiesen.

Das Kabinett strich Mitte letzter Woche den Senegal von der Liste. Vor einem halben Jahr wurde ohne großes Aufsehen auch die Einstufung Gambias als politisch „sicher“ zurückgenommen. Auf Antrag der SPD muß der Bundestag nun auch die asylrechtliche Beurteilung Ghanas überprüfen. Die Einstufung Ghanas als „sicheres Herkunftsland“ sei auf „unzutreffende Informationen der Bundesregierung zurückzuführen“, rügt die SPD. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages seien durch das Auswärtige Amt „unvollständig und damit falsch“ über die politische Lage in dem afrikanischen Staat unterrichtet worden.

Erst bei der mündlichen Anhörung über das Asylrecht vor dem Bundesverfassungsgericht sei im Dezember 95 klar geworden, daß das Auswärtige Amt jahrelang Hinrichtungen in Ghana nicht zur Kenntnis genommen und die Abgeordneten nicht entsprechend informiert habe.

Voraussichtlich im April wird das Bundesverfassungsgericht über das neue Asylrecht entscheiden. Dabei wird es anhand eines Falles aus Ghana auch um die verfassungsrechtliche Problematik dieser „sicheren Herkunftsländer“ gehen. Sollte der Bundestag schon vorab Ghana von dieser Liste streichen, dann wäre sie auf sechs osteuropäische Staaten geschrumpft.

Mit einem Interimsantrag wollen die Bündnisgrünen im Bundestag erreichen, daß seit Jahren hier lebende Asylbewerber solange nicht abgeschoben werden, bis der Bundestag abschließend über eine Altfallregelung beraten hat. Die Fraktion reagiert damit auf eine Entscheidung von Koalition und SPD, die Beratung dieser Frage im Innenausschuß des Bundestages vom 6. März auf den 17. April zu verschieben.

Für die Bündnisgrünen ist es „völlig unverständlich“, daß die SPD einer Vertagung zugestimmt hat. Sie werfen den Sozialdemokraten vor, mit der Koalition die Altfallregelung zu „blockieren“. Dem widerspricht die SPD-Innenpolitikerin Cornelie Sonntag-Wolgast. Es gebe gute Gründe, den Termin zu verschieben, weil noch Gespräche mit dem Bundesinnenministerium geführt werden müßten. Sie geht davon aus, daß innerhalb dieser Fristverschiebung keine Betroffenen ausreisen müssen. Sowohl die SPD als auch die Bündnisgrünen setzen sich in einem Antrag für eine Altfallregelung ein. Während in dem SPD-Papier Alleinstehende acht Jahre und Menschen mit Kindern fünf Jahre in Deutschland leben müssen, um eine Abschiebung zu verhindern, wollen die Grünen diese Fristen auf fünf beziehungsweise drei Jahre beschränken. Ve/nin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen