: Delmenhorsts „schwarzes Loch“
■ Stadtobere machten erfolgreich Druck bei Staatsanwaltschaft / Prozeß gegen Gastwirt, der korruptionsverdächtigen Beamten beleidigt haben soll, geht weiter
Am Mittwoch sollte der Prozeß gegen den Delmenhorster Gastwird Burkhard Klettke eigentlich eingestellt werden, doch jetzt ist ein Ende wieder in weite Ferne gerückt. Telefonisch waren Staatsanwalt, Richter und der Angeklagte übereingekommen, die Akten zu schließen und die Prozeßkosten der Staatskasse anzulasten. Aber in letzter Minute intervenierte die Stadt Delmenhorst. Oberstadtdirektor Willi Schramm, dessen Untergebener Alfred Kunze der eigentliche Angeklagte dieses Verfahrens ist, schrieb an die Oldenburger
Staatsanwaltschaft und setzte dort einen Sinneswandel durch.„Es hat sich was geändert“, begann Nils Tumat für die Staatsanwaltschaftse Statement.
Zur Erinnerung: Burkhard Klettke, Wirt des „Figaro“ steht sein nunmehr einem Monat wegen Beleidigung vor dem Delmenhorster Amtsgericht. Schon im Jahr 1985 hatte er den Leiter des Delmenhorster Ordnungsamts, Alfred Kunze, beschuldigt: Kunze habe von Gastwirten und Schaustellern Geld und anderen Vergünstigungen genommen als Gegenleistung für Schankkonzessionen und behördliches Wohlwollen im allgemeinen. Wer Kunze nicht geschmiert habe, sei schikaniert worden. Der Kneipier erhob diese Vorwürfe nicht öffentlich, sondern bei Kunzes Vorgesetztem, dem Stadtrat Bernd Müller-Eberstein (CDU). Den
noch zeigte die Stadt ihn wegen Beleidigung an und trat zudem als Nebenklägerin auf.
Nur wenn Klettke beweisen kann, daß er den Ordnungsamtsleiter zurecht beschuldigt hat, kommt er von Strafe frei. In den bisherigen Terminen traten zahlreiche Zeugen auf, die Kunze schwer belasteten. Aber nicht nur er, sondern noch weitere Beamte gerieten ins Zwielicht. Andererseits gab es auch Zeugen, die ihn ausdrücklich in Schutz nahmen. „Die Beweisaufnahme stand auf der Kippe“, sagte Staatsanwalt Tumat am Mittwoch zur taz. An Klettkes Anschuldigungen habe sich bisher etliches als wahr herausgestellt. Deswegen, so Tumat, sei er für eine Einstellung gewesen. Außerdem sei soviel Material gegen Kunze zusammen gekommen, daß wahrscheinlich gegen ihn wegen Vorteilsnahme
ermittelt werden müsse.
Ob die Stadt sich vom weiteren Prozeßverlauf ein besseres Bild für ihre Beamten erhofft? Bernd Bramlage, stellvertretender Stadtdirektor und Justitiar, wollte gestern gegenüber der taz nicht sagen, warum die Stadt den Prozeß weitergeführt sehen will. Im Gerichtssaal hatte ihre Intervention Entsetzen ausgelöst. „Anstatt ihre eigenen Beamten zu überprüfen, macht die Stadt Druck bei der Staatsanwaltschaft“, rief Klettkes Verteidiger Ludwig von Kocemba, „da tut sich ein schwarzes Loch auf“. Richter Kießler: „Sowas habe ich noch nie erlebt“. Besonders betreten war Staatsanwalt Nils Tumat: „So eine Weisung habe ich noch nie bekommen. Ich bin ja nur ein Rädchen im Getriebe, aber bisher durfte ich mich ziemlich frei drehen.“
mw
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