: Delfinhaut für Supertanker
■ Gegen Muschelbewuchs an Schiffsrümpfen dient die Natur als Vorbild / Das Ende von giftigen TBT-Anstrichen?
Wissenschaftler des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) arbeiten an einer neuen Generation widerstandsfähiger Antifouling-Farben für Schiffsrümpfe. Dabei setzen sie auf den so genannten Delfinhaut-Effekt: Anhand der fein strukturierten Poren der Meeressäuger haben die Forscher entdeckt, wie sich die Natur ohne Gifte effektiv gegen unerwünschten Aufwuchs von Muscheln, Algen und anderen Kleinstorganismen wehrt. So ein dauerhaft glatter Schiffsrumpf würde das Fahrverhalten verbessern und zusätzlich Treibstoff sparen.
Pilotwale zum Beispiel weist ein fast glatte Oberfläche mit Unregelmäßigkeiten von nur wenigen Nanometern auf. Diese einmalige Struktur, die auf extrem kleinen Poren und Zellverbindungen basiert, bietet selbst kleinsten Biofoulern keine strömungsgeschützten Nischen. „Wir haben erkannt, dass die Kleinsttechnologie den Schlüssel zur perfekten Schiffsaußenhaut liefert“, sagt AWI-Mitarbeiter Christof Baum. Die Besonderheit des neuen Verfahrens, an dem auch die TU Berlin, die Hochschule Hannover sowie das Institut für Lebensmitteltechnologie in Bremerhaven beteiligt sind: Anders als bereits existierende Öko-Alternativen zur giftigen Tributylzinn-Farbe (TBT) soll der neue Anstrich auch durch Außeneinwirkung kaum zu verwüsten sein. „Größtes Problem bei glatten Oberflächen ist, dass sie durch Kratzer abnutzen. Unser Produkt wird aus mehreren Schichten bestehen, so wie Delfinhaut, die sich durch Abschuppung regelmäßig erneuert“, erklärt Baum. Ein bis fünf Jahre kann sowas halten.
In den kommenden Monaten geht es darum, das richtige Material für diese Oberfläche zu finden. So wie Wasser und Fett sich abstoßen, sollten die gesuchten Harze von Haus aus eine geringe Anziehungskraft auf die schleimigen Bewuchsorganismen ausüben.
Mit ihrem bionischen For-schungsansatz, bei dem die Natur als Vorbild dient, liegen die Bremerhavener voll im Trend. In fast allen Produktbereichen – vom Radar bis zum Ventilator – warten Forscher zunehmend mit Naturpatenten auf. „Was bei Delfinen seit Jahrmillionen funktioniert, wird sich auch in der Technologie behaupten können“, glaubt Baum.
Der Markt für ökologische Schiffsanstriche bietet zudem gute Wachstumsaussichten: Bis 2008 sollen die giftbelasteten Farben aus dem Verkehr gezogen werden. Zehn Prozent der deutschen Reedereien haben bereits auf TBT-freie Anstriche umgestellt. Branchenprimus Hapag-Lloyd etwa versieht Schiffe inzwischen nur noch mit umweltneutralen Beschichtungen.
Michael Hollmann
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