: Dehaene will alles besser machen
Der belgische Premierminister verspricht nach dem Dutroux-Skandal eine Beschleunigung der Justizreform und betont seine wirtschaftlichen Erfolge ■ Aus Brüssel Alois Berger
Premierminister Jean-Luc Dehaene hatte vorsichtshalber noch eine weitere Sicherung ausgewechselt, um Kurzschlüsse im Parlament zu vermeiden. Nach den Rücktritten des Innen- und des Justizministers Ende letzter Woche überredete er gestern auch den Polizeichef Willy Deridder, seinen Hut zu nehmen. Deridder hatte sich lange gesträubt, obwohl die ihm unterstehende Gendarmerie für die meisten Pannen bei der Dutroux-Affäre verantwortlich gemacht wird. Sollte sich die Stimmung im Land in den nächsten Tagen nicht beruhigen, wird vermutlich auch noch die Lütticher Generalstaatsanwältin Ann Thily gehen müssen.
Nach der Flucht des Kindermörders Marc Dutroux in der letzten Woche, der dann nach drei Stunden wieder gefaßt wurde, brachten die Oppositionsparteien im belgischen Parlament einen Mißtrauensantrag gegen die gesamte Regierung ein. Sie sei nicht mehr in der Lage, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Diese Meinung wird nach jüngsten Umfragen auch von 53 Prozent aller Belgier geteilt, die deshalb Neuwahlen fordern. Mit ähnlichen Forderungen marschierten gestern auch rund 500 Demonstranten vor das belgische Parlament.
Doch die Abgeordneten der Regierungskoalition, die sechs Stimmen mehr als die Opposition hat, votierten offensichtlich für einen Aufschub des Mißtrauensvotums. Das berichtete zumindest der belgische Rundfunk gestern nachmittag. Man wolle erst die Untersuchungsberichte von Polizei und Justiz abwarten, die Aufschluß über die Verantwortung für die Flucht von Dutroux geben sollen. Dutroux war kurzzeitig nur von einem Polizisten bewacht worden, als er im Justizgebäude seine Akten einsah. Er überwältigte den Beamten, nahm ihm die Dienstwaffe ab und rannte unbehelligt aus dem Gebäude.
Dehaene versprach gestern in seiner eilends angesetzten Regierungserklärung, die begonnenen Reformen in Polizei und Justiz zu beschleunigen. Er werde darauf achten, daß auch die Disziplinarverfahren gegen Beamte rasch zu Ende geführt würden, die an den Fahndungspannen bei der Suche nach den vermißten Kindern schuld seien. Denn laut parlamentarischem Untersuchungsausschuß konnte Dutroux die sechs Mädchen nur deshalb so lange gefangenhalten und mißbrauchen, weil einige Beamte schlampig recherchiert hatten und andere korrupt waren. Doch obwohl der Untersuchungsausschuß Namen nennt, wurde bisher noch niemand bestraft.
Mindestens genausoviel Zeit aber verwendete Dehaene auf die Darstellung der wirtschaftlichen Erfolge seiner Regierung. Er weiß, daß ihm hoch angerechnet wird, daß er Belgien sicher in die Europäische Währungsunion geführt hat. Im Gegensatz zu allen seinen Vorgängern hat er auch den Dauerkonflikt zwischen Flamen und Wallonen geschickt ausbalanziert. Viele Abgeordnete fürchten deshalb, daß ein Sturz der Regierung Dehaene die politische Stabilität des Landes gefährden könnte.
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