: Deformationen an Körpern und Raum
Dramatische Darstellungen von menschlichen Körpern sind allgegenwärtig im Werk des bedeutendsten englischen Malers des 20. Jahrhunderts. Die große Ausstellung von Francis Bacon im K 20 ist einer der Höhepunkte, mit denen die Stadt Düsseldorf ihr Kunstfestival „Quadriennale 06“ krönen will
VON KATJA BEHRENS
Auf zwei Etagen verteilt hängen im Düsseldorfer Museum K 20 64 Gemälde Francis Bacons. Obwohl die Kunstsammlung eine Institution des Landes NRW ist, wird sie in diesem Jahr auch mit städtischen Geldern unterstützt, und ist damit in der Lage eine große Bacon-Schau alleine zu stemmen. Nachdem die Olympia-Bewerbung gescheitert ist, soll so offenbar eine Alternative zum Mega-Sportevent gefunden werden. Das neue gigantische Marketing-Projekt „Quadriennale 06“ will die Landeshauptstadt jetzt nachhaltig als Kunst- und Kulturstadt etablieren.
Die Konturen der seltsam verdreht liegenden menschlichen Gestalt verschwimmen und lösen sich allmählich auf. Kopf und Körper verschmelzen mit dem Grund, werden nur noch von wenigen Linien zusammengehalten. Die Farben sind düster, das ganze Bild ist eine Konfiguration menschlichen Leidens und Wehklagens von Einsamkeit. Die Farbe wirkt an manchen Stellen offen und durchlässig. An anderen wieder verkleistert sie die Figur, scheint jede Anmutung von Bewegung zu hemmen, ja den Körper in seiner Verrenkung zu fixieren. Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen liefert mit der großen Retrospektive des englisch-irischen Malers Bacon (1910-1992), dessen dramatisches Wüten noch heute im Durcheinander seines museal konservierten Ateliers in Dublin zu bestaunen ist, einen besonderen Beitrag zum diesjährigen Quadriennale-Thema „Körper“. Im geradezu obsessiven Kreisen des Malers um die menschliche Figur, um die beschädigte oder geschundene Kreatur, den in seinen Leidenschaften gefesselten Körper, vollzieht und verkörpert sich, was das psychoanalysierte 20. Jahrhundert immer wieder schmerzvoll über sich selbst hat lernen müssen. Der Realismus Francis Bacons ist mitunter bizarr, aber er ist meist plausibel.
Immer schon hat seine Kunst ein Übermaß an Lob und Kritik hervorgerufen. Viele Leute finden sein Werk eiskalt manieriert und effekthascherisch. Bacon gehört zu den Künstlern, deren Werk eher Bewunderung als Sympathie weckt. Bewunderung für die meisterhafte Malerei, die erschreckend grausamen und grausam schönen Bilder. Längst nämlich ist Francis Bacon als Künstler hoch angesehen und sein Werk über jeden Zweifel erhaben. Die Gleichzeitigkeit von Abscheu einerseits und Faszination andererseits würde sich womöglich, je mehr Bacon zu einer historischen Figur wird, in ein abgeklärteres und distanzierteres Interesse verwandeln – würde nicht die Malerei selbst die Ambivalenz im Betrachter wachhalten und immer wieder aufs Neue hervorbringen. Auf grandiose Weise spielen die Bilder mit der Wirkung der Konfrontation von Ratio und Emotion, lassen Selbstreflexivität erkennen, wenn ein formloser Farbklecks auf der Leinwand einen Schlagschatten wirft.
Viele der Gemälde lassen sich auf Fotografien, Drucke oder Illustrationen zurückführen, die dem Künstler als Anregung gedient haben, die er ineinander blendet, transformiert und letztlich doch immer auch in Richtung seiner eigenen Abgründe verschiebt. In den Porträts der Freunde, den Papst-Bildnissen (nach Velázquez Gemälde „Innozenz X.“), den Kreuzigungs-Triptychen oder den ringenden Paaren verwischen die Bewegungen, verstummt jeder Schrei, werden die Räume zu Käfigen und Gefängnissen. Der Mensch, daran besteht kein Zweifel, ist in den Gemälden Francis Bacons ein Wesen aus Fleisch und Blut, die Farbe, mal feucht-glänzend, mal pudrig-trocken, mal in Lasur, dann wieder klumpig und schmierig, materialisiertes Echo seiner physischen Existenz.
Bacon beharrte immer auf einer rein malerischen Position, legte Wert darauf, jegliche Erzählung auszuklammern. Das aber fällt mitunter schwer, denn seine späteren Werke, das ist in der Chronologie der Ausstellung ersichtlich, werden deutlich biographischer, flächiger und starrer, Farben und Räume werden plakativer. Eine Vitrine und Fotogalerie gewährt Einblick in das semiöffentliche Leben des Künstlers, um das sich viele Erzählungen ranken. Erzählungen, die immer der Gefahr ausweichen müssen, Leben und Kunst einfach kurzzuschließen, Exzesse und exzessive Malerei schablonenhaft übereinander zu projizieren. Homosexualität, Alkohol- und Spielsucht passen oft nur in der Verkürzung des Künstlerklischees zum Charakter eines obsessiv malenden Berserkers. Doch Leidenschaften und Leidenschaft sind nicht zwangsläufig identisch.
K20, DüsseldorfBis 07. Januar 2007Infos: 0211-8381130