: Deckelauf Atomskandal
■ Atomausschuß in Bonn endete im Streit
Bonn (dpa) — Im Windschatten der Zweiplusvier-Einigung wurde gestern still und heimlich der sog. „Atom-Skandal“ in Bonn zu Grabe getragen. Koalition und Opposition sind weiterhin über die Konsequenzen des im Herbst 1987 aufgedeckten Skandals um rund 2 500 falsch deklarierte Atommüllfässer zerstritten. Mit diesem Ergebnis endete am Mittwoch die mehr als zweieinhalbjährige Tätigkeit des Ausschusses, in dem es auch um Spekulationen über Uranschiebereien in Entwicklungsländer und illegale Exporte von Nukleartechnik ging.
Im Abschlußbericht vertraten CDU/CSU und FDP die Auffassung, die Ergebnisse der Beweisaufnahme hätten keine Gründe für einen Verzicht auf die friedliche Nutzung der Kernenergie erkennen lassen. Dagegen halten SPD und Grüne die weitere Nutzung der Atomenergie für zu riskant, als daß sie auf Dauer verantwortet werden könne.
Die Koalitionsvertreter im Ausschuß, Klaus Harries und Gerhard Friedrich (beide CDU) sowie Ulrich Irmer (FDP), betonten zum Ergebnis der von heftigen Kontroversen mit der Opposition begleiteten Untersuchungen, die internationale Kernmaterialüberwachung durch die Wiener IAEO-Behörde und die EURATOM habe sich als zuverlässig und wirksam erwiesen.
Zu den Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe im Zusammenhang mit der Transnuklear-Affäre erklärte die Koalitionsseite, diese hätten der Vergrößerung von Marktanteilen nach den vorliegenden Erkenntnissen gedient. Sie seien einhergegangen mit persönlicher Bereicherung jener, die die Schmiergelder gezahlt hätten. Insofern seien dies „nur Fälle von Vermögenskriminalität“. Die SPD sieht dies anders: Die Schmiergeldaffäre sei kein einmaliger Ausrutscher, sondern ein „Skandal der Atomwirtschaft insgesamt“. Empfänger der Zuwendungen säßen teilweise noch in deutschen Kernkraftwerken.
Die Koalition wies im Fall etwaiger illegaler Uranschiebereien auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hin, es hätten sich „Null Komma Null Beweise“ ergeben. Dagegen meinte die Opposition generell, deutsche Exporte von Nukleartechnik, darunter auch genehmigte, hätten dazu beigetragen, daß Länder der Dritten Welt, die den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichneten, in die Lage versetzt worden seien, Atomwaffen herzustellen. Namentlich wurden von der SPD Pakistan, Indien, Argentinien und Brasilien genannt. Weniger ein direktes Ergebnis des Ausschusses, aber von den Mitgliedern begrüßt wurde der Beschluß des Bundeskabinetts, im Zuge der internationalen Entwicklung strengere Ausfuhrbestimmungen für deutsche Nukleartechnik festzulegen.
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