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„Deck‘ ihn zu, Peter“

■ Bodybuilding in Konstanz

Holger Reile

Die blonde, zierliche Frau mit kunstvoll geflochtenen Zöpfen scheint sich auszukennen: „Right side, please“, tönt es aus der Anlage. Vorne, auf der mit schwarzem Stoff ausgelegten Bühne der Konstanzer Rheinguthalle, winden sich sieben eingefettete Leiber, schwitzend im Scheinwerferlicht. „And now Back-Side“, kommandiert der Ansager. Die Profi-Builder strecken dem Publikum ihre monströsen Ärsche ins Gesicht, ein Raunen geht durch den Raum. Fussballer werden von ihrer Vereinsführung für ähnliche Gesten wegen „obszönen Verhaltens“ in der Regel mit satten Geldstrafen belegt. Kein Thema heute, denn schließlich werden Mrs. und Mr. Europa gesucht.

Das Publikum stöhnt vor Entzücken: „Kopf hoch, Steve, jawohhhl“. Die geschwülstigen Rückenmuskulaturen erinnern in ihrer Anordnung an mächtige Butterzöpfe in Bäckers Glasvitrine. Schlachthofatmosphäre aber auch und es stinkt entsetzlich nach Schweiß. Nun wippen die Arnolf -Schwarzenegger-Kopien auf ihren Zehenspitzen, die Arschbacken zittern leicht im Halbdunkel. Waden wie Kommißbrote werden sichtbar, über Video-Leinwände tastet die Kamera jeden Zentimeter Muskel ab. „Wow, geil, irre“. Die Gesichter sind zum Zerreißen gespannt, immer wieder gequälte Grinsversuche in Richtung Kampfgericht, fingerdicke Stirnadern pulsieren im Dreiviertel-Takt - wann platzt die Rübe?

„Frontside“ - die sieben Profis aus Frankreich, England und Deutschland „posen“ von vorne. Die Blonde klemmt sich aus ihrem Sitz: „Deck‘ ihn zu Peter, Klasse, Jaaa...“ Bizeps, Trizeps, Oberschenkelmuskulatur, alles quillt gigantisch überproportioniert aus den Scharnieren; Adern, Rippen, Muskelstränge - der Kampf um den goldenen Fleischerhaken nimmt an Heftigkeit zu. Natürlich alle Bronze- bis dunkelbraun, feinsäuberlich am ganzen Körper rasiert, von der Höhensonne beidseitig gebraten, die Strullermänner sorgsam in knappe Seidenhöschen verpackt. Für Dich, Arno Breker, hätten sie vielleicht die letzten Hüllen fallen lassen, und wir hühnerbrüstigen Voyeure wären vollends auf unsere Kosten gekommen. Wo warst Du, Breker. wo warst Du nur?

Der Farbige Thierry Pastel, amtierender Profi-Weltmeister, quetscht sich die suppenschüsselgroßen Brustscheiben bis knapp unter's Kinn und leitet den eigenen Erstickungstod ein. Peter Andreas aus Wolfsburg greift tief in die Trickkiste, spielt seine „Parade-Pose“ aus und läßt unter dem Gejohle der Fangemeinde die baumstammdicken Oberschenkel wabern. „Seine stärkste Pflichtfigur“, flüstert mein Nachbar, gerade so, als hätte Katarina Witt den zwölffachen Rittberger gestanden. Pastel kontert mit einer Bizeps -Nummer, Szenenapplaus rauscht durch den halbleeren Saal.

Die sechs Kampfrichter kritzeln unentwegt Zahlen aufs Papier. „Symmetrie des Körpers, Gesamteindruck, Härte der Muskeln, darauf kommt's an“, beantwortet mir ein Jury -Mitglied meine Fragen nach den Kriterien der Fleischbeschau. Ähnlich wie beim Kunsteislauf wird die höchste und die niedrigste Wertung abgezogen. „Finish, Fine, Ende“ - die ausgepumpten Gesellen steigen vorsichtig, fast unbeholfen vom Podest. Nur keine falsche Bewegung, es könnte ja was reißen.

Im Trainingsraum wird geknetet und massiert, da und dort ein kräftiger Schluck aus der „Happy-Fitness„-Eiweiß-Pulle. Die Kür steht auf dem Programm, „künstlerischer Ausdruck“ ist gefragt. Die Gladiatoren quetschen wiederum ihre Muskelberge aus den verwachsenen Körpern und versuchen, sich rhythmisch zur Musik zu bewegen. Meistens geht das erbärmlich daneben. Der eine pumpt wie ein Maikäfer zu alten Rock-Melodien: „Baby come back“, ein anderer hampelt unbeholfen zu martialischen Klängen durch die Gegend. Ebenso der Ablauf bei den Frauen: Pflicht „Frontside, backside“ und Kür: „Free-Pose“ zu heroischem Rock-Schmalz: „We are the champions“, bam, bam, bam....

Die Profi-Weltmeisterin Claudia Profanter aus Italien und die Deutsche Monika Steiner machen die Muskelschau unter sich aus. Bezeichnenderweise belegen zwei Frauen mit einem Hauch von Busen die letzten Plätze. „Was soll an dem schwabbligen Zeug schon schön sein“, fragt eine ganz offen zurück. Die Mehrzahl der Body-Builderinnen orientiert sich am männlichen Körperkult, es gilt, die kümmerlichen Reste signifikanter Weiblichkeit „am Eisen wegzutrainieren“. Muskeln als „Zeichen von Stärke und Fitness, Mehr-Machen -wollen aus dem eigenen Körper“ - die Antworten nach dem Grund der programmierten Verunstaltung waren meist ähnlich. Peter Andreas, früher Gewichtheber und Dreikampf -Kraftsportler, betreibt seit 10 Jahren Body-Building. Leztes Jahr noch Amateur-Weltmeister, ist er in's Profilager gewechselt. „Von einem Pokal kannst‘ nichts abbeißen“. 15.000 Mark für den EM-Titel, „das lohnt sich dann wenigstens.“ Sein Trainingsaufwand entspricht duchaus dem eines Spitzensportlers: „Vier Stunden täglich, zweimal die Woche alles durchchecken“. Wochentrainingsplan eines Body -Builders: Montag Wade und Oberschenkel, Dienstag Bizeps/Trizeps undsoweiter. „Wir liegen im Trend“, sagt Andreas und er muß es schließlich als Betreiber eines eigenen Body-Studios wissen: „Die Leute wollen was aus sich machen, da kommen auch immer mehr vergeistigte Hänflinge rein, die endlich mal ohne rot zu werden in ihre Badehose steigen wollen“.

Die Veranstaltung war finanziell gesehen ein Flop. Lediglich 500 zahlende Zuschauer, mit 1200 hatte man gerechnet. Bei einem Eintrittspreis von 120 Mark auch kein Wunder. Senator Holzer, der Hauptsponsor, wird's abschreiben können: Der millionenschwere Unternehmer macht ansonsten seinen Schnitt als Zulieferer für Wiederaufbereitungsanlagen. Der Sport, da sieht man's halt wieder, kommt ohne Politik nicht aus: Wackersdorf ist eben doch überall.

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