Wasserstoffblonde Wärme

Die US-Künstlerin Lady Blackbird garniert ihr Debütalbum „Black Acid Soul“ mit Interpretationen von alten Soulsongs, Funkrock und Jazzstandards

Als Teenager sang Lady Blackbird geistliche Musik

Von Dagmar Leischow

Auch wenn der Albumtitel etwas anderes suggeriert, Lady Blackbirds Debütalbum „Black Acid Soul“ gehört nicht in die Sparte Retro: Die US-Künstlerin, die als Marley Munroe im Südwesten des Landes geboren wurde und mit Gospelmusik in der Kirche aufwuchs, verschreibt sich weder dem P-Funk noch dem Neo-Soul-Revival. Eher sieht sie sich selbst als Jazzsängerin, die Standards in eigenen neuen Arrangements performt, so wie die elf Songs auf ihrem Debütalbum.

Ihr Timbre klingt kratzig, und doch verströmt Lady Blackbirds Stimme viel Wärme. Ihr Gesang schlägt die Hörerin sofort in ihren Bann. Viel Beiwerk zum Stimmenzauber braucht es nicht, minimalistische Bass- und Klaviertupfer behandeln zum Beispiel bei der Coverversion von Nina Simones „Blackbird“ jede Note so, als sei sie ein rohes Ei. Ähnlich geht es weiter: Meistens fungieren die Instrumente als spartanische Klangkulissen, damit sich der gefühlsbetonte Gesang von Lady Blackbird maximal entfalten kann.

Einzig der Titelsong tanzt ein bisschen aus der Reihe. Auf einmal dehnt sich das Instrumentalbett raumgreifend aus, ein flirrender Bass verpasst dem Sound größere Flügel, die Orgel jault schräg. Das wirkt schon unheimlich, beinahe surreal. In die sanfte Klavierballade „Fix it“, eine der wenigen Eigenkompositionen aus der Feder von Lady Blackbird und ihrem Produzenten Chris Seefried, können sich die Hö­re­r:in­nen dagegen fallen lassen. Dieses Lied klingt wie ein Klassiker aus dem Great American Songbook, dabei hat die Sängerin bei der Wahl ihres Repertoires zu bekannte Klassiker eigentlich links liegen gelassen.

Unbekannte Songs, zu ­neuem Leben erweckt

Wesentlich reizvoller fand sie es, unbekanntere Songs wieder zum Leben zu erwecken – teilweise in einem völlig neuen Gewand. „Collage“, das ursprünglich von der Southern-Rock-/Funkband James Gang stammt, kommt sehr viel intensiver daher als das Original. „Wanted Dead Or Alive“, eine Gospel-Funk-Nummer aus den frühen siebziger Jahren, ursprünglich vom Chor The Voices of East Harlem, hat Lady Blackbird hemmungslos durch den musikalischen Fleischwolf gedreht – und ihr mit „Beware the Stranger“ auch gleich einen neuen Titel verpasst. Das Stück lehnt sich jetzt mehr an Jazz an. Lediglich der markante Backgroundgesang verweist noch auf das Original. Eine bemerkenswerte Idee, die von Chris Seefried stammt. Der Produzent ebnete bereits für die Sängerin Andra Day den Weg zum Erfolg. Diese stieg 2021 in die Liga der Berühmtheiten auf, als sie für ihre Hauptrolle in dem Film „The United States vs. Billie Holiday“ mit einem Golden Globe ausgezeichnet wurde. Seefried hält sie für ein Ausnahmetalent. Genau wie Lady Blackbird. Trotzdem legte sein Schützling keineswegs einen kometenhaften Start hin, im Gegenteil. Einst sang Lady Blackbird im Kirchenchor, ihren ersten Auftritt in einem Gotteshaus hatte sie mit fünf. Als Teenager bekam sie einen Plattenvertrag bei einem Label, das sich auf geistliche Musik spezialisierte hatte. Man könnte sagen: Ein Glücksfall war das für sie nicht unbedingt. Tatsächlich hatten ihre Eltern sie in diese Richtung gedrängt – gegen ihren Willen. „Das Ganze war so weit weg von der Person, die ich war“, erinnert sie sich. Kein Wunder, dass Lady Blackbird aus dieser Szene ausbrach, sobald sie volljährig wurde. Mit 18 zog sie nach New York, flog aber immer wieder zu Studiosessions nach Los Angeles. Dort kooperierte sie mit dem Produzentenduo Jimmy Jam und Terry Lewis, die sich vor allem durch ihre Zusammenarbeit mit Janet Jackson einen Namen gemacht hatten. Irgendwann in einer Liga mit Rihanna und Beyoncé zu spielen, das war gewiss Lady Blackbirds Ziel. Als L. A. Reid sie für sein Label Epic unter Vertrag nahm, schien sie dem nahe. Doch schon bald gab es künstlerische Differenzen. Der Deal platzte, damit war der Popstar-Traum von Lady Blackbird vorläufig ausgeträumt.

2018 traft sie Chris Seefried. Erst mit seiner Hilfe fand Lady Blackbird nach einigen Experimenten in der Welt des Jazz wirklich zu sich selbst. „Chris war in der Lage, sich in das hineinzudenken, was ich fühlte“, sagt sie. Allerdings ist Lady Blackbird durch ihren Richtungswechsel nun nicht plötzlich zu einer Genresängerin à la Diana Krall geworden. Sie findet es spannender, sich auf der Bühne und in ihren Videos als exzentrische Künstlerin zu inszenieren – mit wasserstoffblond gefärbten Haaren, Nasenring und reichlich Make-up. Im Clip zum Song „It’s not that easy“ trägt Lady Blackbird eine extravagante weiße Robe, angefertigt aus Tüll und Federn. Sie hat eben den Habitus einer Diva, gepaart mit ihrer unnachahmlichen Stimme.

Lady Blackbird: „Black Acid Soul“ (Foundation Music/BMG)