Sehr geehrte Frau Weingärtner,
ist es nicht grotesk, anzunehmen, der Wert des Euro würde geschwächt durch die Tatsache, daß er in der kyrillischen Version EBPO geschrieben wird, und nicht EYPO? Wer von den Börsenheinis und Bankmagnaten kennt sich denn ausserhalb von Osteuropa überhaupt mit Kyrillisch aus?
Zeigt der Disput nicht vielmehr, wie wenig Respekt die Manager der EZB (die ja auf den Scheinen auch BCE, ECB, EKT, EKP geschrieben wird - wo bleibt da bitte die Einheitlichkeit?) vor der Sprache und Kultur eines kleineren Mitgliedslandes haben? Ist es also nicht wieder mal ein typisches Beispiel für die Arroganz der Eurokraten, die sich selbst genügen, und möglichst wenig von der europäischen Bevölkerung gestört werden möchten? Die meinen, sie wüßten, wo's langgeht, und das dumme Provinzvolk dürfe sich möglichst wenig in seine eigenen Angelegenheiten einmischen?
Gerade dieser Eindruck hat doch dazu geführt, daß die sonst so Europa-freundlichen Franzosen und Niederländer die geplante EU-Verfassung abgelehnt haben, weil sie fanden, "Brüssel" tanze ihnen auf der Nase herum. Daß dieser Eindruck teilweise auf Mißverständnissen beruht, die womöglich bewußt herbeigeführt wurden, steht auf einem anderen Blatt. Aber kann sich jemand an eine Kampagne der Europa-Abgeordneten für das Verfassungsprojekt erinnern, die mit Elan europaweit geführt wurde? Bei der auf Argumente für und wider eingegangen wurde? Oder etwa bei der Einführung des Euro (Ebpo, gesprochen "jewro")? Warum handelt z.B. das europäische Patentamt zuweilen so, als sei es niemandem Rechenschaft schuldig außer den großen Industrieunternehmen?
Anscheinend haben weder die Eurokraten, noch die Euro-Politiker, noch die in Brüssel ansässigen Publizisten aus dem Verfassungsdebakel wirklich gelernt. Sie wollen einfach so weitermachen, und wer sich der Dampfwalze entgegenstellt, der wird schon sehn, was er davon hat?
So geht es nicht. Eine Konstellation wie in den USA, wo "die in Washington" für jedes Übel verantwortlich gemacht werden, und trotzdem fröhlich regieren können, ist in Europa wegen der Vielfalt der Nationen und ihrer Kulturen nicht möglich - das würde die EU sprengen (siehe Jugoslawien). Die Brüsseler müssen also schon versuchen, sich den lokalen Interessen gegenüber flexibel zu verhalten, um nicht unnötigen Widerstand zu provozieren, wenn sie Erfolg haben wollen. Angela Merkel scheint das zu wissen, die Großkopfeten von der EZB anscheinend nicht - sie ziehen die Methode "Geßlerhut" vor.
Ich wüßte z.B. gerne, wie mein Europa-Wahlkreis aussieht, und wer ihn im EU-Parlament repräsentiert? Und wo er/sie sein deutsches Wahlkreisbüro hat? Aber anscheinend gibt es für das Europa-Parlament gar keine Wahlkreise, sondern nur Listenplätze der Fraktionen? Wen repräsentiert denn so ein Listen-Abgeordneter?
Im Grunde genommen doch eher seine Partei, als seine Wähler, die ihn nicht kennen, und die er/sie nicht kennt.
Sie sehen, es gibt Kritikpunkte, die überhaupt nichts mit der Frage der verschiedenen Nationen zu tun haben, wohl aber mit Fragen des Respekts vor den Wählern und der Reräsentativität.
Hier bieten sich viele Gelegenheiten, den Kontakt mit der Bevölkerung zu verbessern, und auf diese Weise letzlich die EU zu stärken. Ohne Respekt vor der lokalen Wählerschaft läßt sich "von oben", aus der Zentrale, keine handlungsfähige Union zusammenbacken - im Gegenteil wird man immer neuen Widerstand a la Kaczynscy oder einst Thatcher provozieren, und sich damit selbst blockieren.
Nochmal zum Thema EBRO: Unser größter kyrillisch- schreibender Handelspartner ist Rußland. Dort heißt der Euro jetzt schon EBRO, gesprochen "Jewro". So wird es wahrscheinlich auch in Serbien, Montenegro und Mazedonien sein, und in den Asiatischen Republiken die einst zur UdSSR gehörten und immer noch Russisch als Verkehrssprache benutzen. Also in einem insgesamt weit über 100 Millionen Einwohner zählendem Markt. Will man die wirklich alle umerziehen wegen der Besessenheit einer Handvoll Frankfurter EZB-Manager vom Konzept des "corporate design"?
Mit freundlichen Grüßen,
A.Th.
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