■ Daumenkino: Herkules & die Sandlot-Kids
Es gibt ja nur wenige Dinge, die man Zwölfjährigen bei 30 Grad überhaupt nahebringen möchte, aber die Geschichte von den Sandlot- Kids gehört dazu. Als der Film seinerzeit in Venedig, oder war es Hof?, vorgestellt wurde, funktionierte er für das dortige Publikum als der Sommerausflug, für den es draußen im wirklichen Leben noch zu kalt war. Wie bei To Kill a Mockingbird erzählt uns ein junger Bengel, Scotty, aus dem Off, wie sie damals, als man allenthalben noch für den Baseball-Giganten Babe Ruth schwärmte, diesen ungeheuren Sommer Nineteensixtytwo verbrachten. Limonade, aufgescheuerte Knie und der rote Badeanzug von Laura Belle. Und wie Jeff „Squints“ Palledorous einmal im Schwimmbad einen Erstickungsanfall mimte, so daß Laura Belle ihm mit Mund-zu-Mund-Beatmung zur Seite springen mußte. Hinter dem Feld, auf dem sie Baseball spielten, lauerte ein zähnefletschendes Ungeheuer, eine überdimensionale Riesendogge, die aussah, als könne sie ganze Kinderfreizeiten in einem Biß verschlingen. Es gingen auch Gothic-novels über das Leben des Herren des Hundes um, Mr. Mertle (James Earl Jones). Eines Tages nun läßt Scotty, weil ihnen wieder einmal ein Ball über den Nachbarzaun gegangen ist, einen Ball von seinem Stiefvater mitgehen, und bei näherem Hinsehen stellt sich raus, daß er von Babe Ruth handsigniert ist! Aber auch der geht über die Mauer, und der muß zurück. Mit wahnsinnigsten hydraulischen Apparaturen reichen sich die Kerls gegenseitig über die Mauer und die Sache spitzt sich zu. Was Herkules & die Sandlot-Kids so angenehm macht, ist, daß Kevin hier nicht mehr allein und schon gar nicht zu Haus ist, und auch kein Potential zum Harvard-Geologen in sich trägt. Die Sandlot-Kids, Tommy „Repeat“ Timmons und sein Bruder, der dicke Hamilton, und der relativ stockfischige Bertram Grover Weeks tun mit ihren blassen Nasen und den kleinen Schwurbel-T-Shirts irgendwie nix weiter, als noch einmal aufzuatmen, bevor das ganze Geschlechtergedöns losgeht. In diesem Sinne erscheint die Sache mit dem bösen Ungeheuer, was da hinter der Mauer lauert, in einem ganz neuen Licht... mn
„Herkules & die Sandlot- Kids“, Kamera: Anthony B. Richmond, Regie: David Mickey Evans
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