: Das volle Brett
Ein Grund zu feiern: Wenn man nicht dieselbe Karriere wie die Scorpions gemacht hat ■ Von Eberhard Spohd
Die Scorpions waren gestern in Hamburg. Oder wenigstens die Frontmänner, der Sänger Klaus Meine und und sein Haupt-Guitarrero Rudolf Schenker. Auf dem roten Sofa, bei DAS! im NDR-Studio. Fröhlich plaudernd. Mit Bettina Tietjens. Über ihre kommende Tournee, Musik, Höhen und Tiefen. Grund genug einen Blick zurückzuwerfen, auf die Vergangenheit der Hannoveraner „Leopardenfellunterhosenband“ (W. Droste).
Wir denken an widerliche Plattencover wie das der LP Virgin Killer – nacktes Mädchen, vorpubertär, gefesselt – oder Lovedrive – Mann fasst Frau an Brust, deren Brustwarze sich dehnt, als sei sie ein Kaugummi. Wir denken an elektrische Gitarren in Dreiecksform, die die Geschmackspolizei längst verboten hat, hässliche Schnauzbärte, Lederhosen und Klaus Meine, der schreit: „Hamburg, wollt ihr das volle Brett?“
Überhaupt Klaus Meine. Klar, wenn man Ende der 70er Jahre 12 Jahre alt war, waren die Scorpions und insbesondere der Kurze (1,68 Meter) die einzige Hoffnung: Man konnte deutsch sein und dennoch als Hardrocksänger viel Geld verdienen und Mädchen haben – von denen man damals schon vom Hörensagen wusste. Mit 35 ist man dagegen froh, dass das Schicksal es freundlicher mit einem meinte. Sonst würde man heute mit Gerhard Schröder Tennis spielen, dem Boxer Dariusz Michalczewski Geburtstagsständchen bringen und ein offizielle Expo-Hymne singen, in der so beknackte Sätze vorkommen wie: „Moment of glory called evolution“.
Man würde verlogen Versionen des Schmalzstückes „Wind of Change“ in russisch und spanisch aufnehmen. An Weihnachten würde man in Hannover am Kröpke stehen, der zugigsten U-Bahn-Station der Welt, und zusammen mit der Kanzlergattin Kekse verteilen für einen guten Zweck. Kekse von Bahlsen, versteht sich. Die Verortung ist wichtig, zu Hause in Hannover kann Klaus Meine die Kraft tanken, die er braucht, zusammen mit seiner Frau, die Gabi heißt. Dort kann der gelernte Dekorateur und Sängerzwerg dann richtig ausspannen, es sei denn, es geht ihm wieder ein Projekt durch den Kopf, das er mit seinen Freunden Schröder und Niedecken verwirklichen kann.
Wirklich Schicksal, Du hast es gut mit mir gemeint.
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