: Das total wahre Leben
■ Zapping – Ulrich Wallers Porträt der vielbemühten Generation X
Der karrieregeile Werbetexter Roul will ein Zimmer in der von Papa geschenkten Wohnung vermieten, ohne Mitbewohner Chris, den philosophierfreudigen Computerfreak, vorzuwarnen. Der Ossi Friedhelm, die fleißige Lehramtsstudentin Simone und Esoterikerin Marlies melden sich darauf. Insgesamt neun Figuren zwischen 20 und 30 treffen sich in dem Theaterstück Zapping zur einer Szenenmontage mit Stellvertretern der Generation nach dem Pillenknick, die man mit dem Kultautor Douglas Coupland so gern als Generation X bezeichnet.
Die Komödie der neuen Generation, so der Untertitel, ist das Abschlußprojekt der Schauspielklasse der Hochschule für Musik und darstellende Künste, gemeinsam erarbeitet mit Autor Ulrich Waller und Regisseurin Elke Lang. „Ich wußte vorher gar nicht, was für verschiedene Gruppen es gibt in unserer Generation“, faßt Schauspieler Harald Fuhrmann, der den keuschen Christen Klaus spielt, die Erfahrungen der Recherchearbeit zusammen. Die Schauspieler haben unter Elke Langs Anleitung improvisiert, Ulrich Waller hat daraus Figuren entwickelt und dann sind alle losgezogen, um „Feldforschung“ zu betreiben. „Die Aufladung mit Realität“, so Waller, „gibt den Figuren erst die Kraft.“
Letztendlich ist nach vielen Probephasen und Änderungen ein Stück entstanden, das gemäß dem Titel auf eine konventionelle Erzählstruktur verzichtet. Statt dessen werden kurze Zappings in die Handlung um Roul eingeschoben; knappe Dialogfetzen, unterbrochen von kurzen Techno-Passagen, formen ein Kaleidoskop von Jugendsprache und Lebensgefühl. „In der Szene bedeutet Sprache oft gar nichts. Das ist Material, Trash, Schrott“, kennzeichnet Waller diese Texte. Die Figuren bleiben äußerlich, flüchtig: Outfit, Jargon und Macken erzählen genug über die Protagonisten. „Man kann keine normale Dramaturgie erfinden für diese Generation, alles rauscht so an ihnen vorbei“, begründet Regisseurin Elke Lang die ungewöhnliche Form, „Tempo und Musik spielen eine sehr große Rolle.“
Zapping will weder den Diskurs über Jugendkultur von Diedrichsen, Greil Marcus oder anderen wiedergeben noch eine komplette Enzyklopädie der Generation X liefern. Für Elke Lang war entscheidend, daß die Schüler sich in ihrer Abschlußarbeit mit der eigenen Generation auseinandersetzen: „Es fehlen Stücke, wo normale junge Leute vorkommen. Es gibt höchstens Stücke über Neo-Nazis oder Randgruppen.“
Diese Generation, so der Eindruck der Beteiligten an Zapping, lebe in dem Bewußtsein, daß sie es nicht so gut wie ihre Eltern haben werde, und sie sei wirklich nicht mehr zu fassen, denn die Zeit der gemeinsamen Ideale oder der Jugendbewegung sei vorbei. So ist Zapping zuallererst eine witzige Komödie mit Figuren, die einem aus U-Bahn oder Szene irgendwie doch bekannt vorkommen. ngr
Kampnagel: 20./21./24./25. und 26. 4., 19.30 Uhr sowie 22. 4., 22.30 Uhr
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