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„Das ist Inquisition“

■ Empörung über Dienstenthebung eines Pfarrers / 4. Heirat war zuviel

Der Pastor der evangelischen Kirchengemeinde Altenmedingen im Kreis Uelzen ist wegen seiner vierten Heirat des Dienstes enthoben worden. Aus Protest dagegen haben zahlreiche Mitglieder der Kirchengemeinde ihren Austritt aus der Kirche erklärt. Das Landeskirchenamt in Hannover wirft dem 51 Jahre alten Geistlichen Thomas Anselm Müller vor, er habe gegen die gebotene und angemessene Form der Lebensführung verstoßen. Zum Verhängnis wurde dem Seelsorger, daß er mit seiner jetzigen Ehefrau schon befreundet war, als er von Nummer drei noch nicht geschieden war. „Das ist an den Haaren herbeigezogen, denn unser Pfarrer ist schließlich schon vor vier Jahren von seiner damaligen Frau verlassen worden“, empörte sich eine Kirchgängerin.

Unterdessen haben sich 93,4 Prozent der 635 befragten Altenmedinger Kirchenmitglieder, die Konfirmandengruppe und der Posaunenchor hinter den beliebten Pastor gestellt. In einer Resolution hat eine 25köpfige Initiativgruppe das Vorgehen des Landeskirchenamtes als „unchristlich“ verurteilt und von „Inquisition“ und „Schlüssellochermittlungen“ gesprochen. Sprecher Hans Kramer: „Das Vorgehen des Landeskirchenamtes ist unmenschlich“. Thomas Anselm Müller habe zwölfeinhalb Jahre vorbildliche Arbeit für die Mauritius-Gemeinde geleistet. Auch die Pfarrkonferenz des Kirchenkreises Uelzen bekundete ihren „uneingeschränkte Solidarität“.

Unbeeindruckt davon beruft sich das Landeskirchenamt in Hannover auf Paragraph 51 des rund 40 Jahre alten Pfarrdienstrechts. Danach hat ein Pfarrer einen Lebenswandel zu führen, der seinem Amt gerecht wird. Bei Ehescheidungen von Pastoren werde einvernehmlich ein neuer Wirkungskreis für die betroffenen Lebenspartner gefunden, um der Gemeinde einen unbelasteten Neuanfang zu ermöglichen – unabhängig von der Anzahl der Eheschließungen, wie die Landeskirche betont. Eine vierte Pastorenheirat werde jedoch als „außergewöhnlich beschwerend“ empfunden, erklärte Pressesprecher Uwe Arnhold.

Nun muß die Kammer für Amtszucht als unabhängiges Kirchengericht über die Suspendierung Müllers entscheiden. Eine Berufungsmöglichkeit hat der heiratsfreudige Geistliche dann beim Disziplinarsenat der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. „Das Ermittlungsverfahren ist fast abgeschlossen. Es ist offen, ob noch ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird, aber der Landesbischof scheint davon auszugehen“, sagte Pastor Müller gestern. dpa

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