: Das große Zittern ist vorbei
Hamburg schafft umstrittene Vergleichsarbeiten ab. Stattdessen gibt es „Lernstandserhebungen“, die nicht benotet werden. Lehrer erhalten danach die passenden Übungsaufgaben für ihre Schüler
Hamburger Schulen werden künftig auf drei Ebenen getestet:1. Internationale Studien wie Pisa für die 9. Klassen und Iglu für die Grundschulen werden alle drei bis fünf Jahre wiederholt. Hamburg nimmt daran nur mit einer Hand voll Schulen teil. 2. Ein nationaler Ländervergleich der Kultusministerkonferenz soll ab 2009 alle fünf bis sechs Jahre die Einhaltung der Bildungsstandards überprüfen. In Hamburg werden vermutlich 30 bis 40 Gymnasien und 30 bis 40 Stadtteilschulen beteiligt sein. 3. Hamburgweite Lernstandserhebungen, orientiert an den Bildungsstandards, gibt es jährlich an allen Schulen. KAJ
VON KAIJA KUTTER
In einer Angelegenheit kann es an Hamburgs Schulen ein Aufatmen geben. Die zentralen Vergleichsarbeiten für die 3., 6. und 8. Klassen, die im vergangenen Mai wegen zu schwerer oder fehlerhafter Aufgabenstellungen für viel Verdruss sorgten, sind abgeschafft worden. Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) hatte noch vor den Sommerferien entschieden, diese schon im jetzt gerade begonnenen Schuljahr 2007/2008 durch so genannte „Lernstandserhebungen“ zu ersetzen. Wichtiger Unterschied: es geht dabei um Diagnose und Hilfestellungen, nicht um Noten, Rankings oder Schulvergleiche.
Die Vergleichsarbeiten, die zunächst bezirksweise und dann stadtweit einheitliche Klassenarbeiten für die Klassen 3,6 und 8 vorsahen, hatten an den Schulen zu Verunsicherung und Stress geführt. Da sie aus arbeitsökonomischen Gründen in den Fächern Deutsch und Mathe als zweite Klassenarbeit zählten und in die Zeugnisse eingingen, versuchten die Lehrer die Kinder gut darauf vorzubereiten, was, wie viele klagten, zu einem „Teatching for the Test“ führte. Zu einem Eklat kam es, als im Mai eine kleine Lehrergruppe für die 3. Klassen eine Deutscharbeit über Koalabären entwickelte, die die acht- und neunjährigen Kinder überforderte, weil unter anderem Prozentrechnen gefragt war. Die Folge waren weinende Kinder, hilflose Lehrer, entsetzte Eltern und schließlich eine Schulsenatorin, die sich öffentlich bei allen entschuldigte. Und eine Opposition, die daraus Honig sog.
Mit den neuen „Lernstandserhebungen“, kurz LSE, soll ein ganz anderes Verfahren eingeführt werden. „Man kann sich darauf nicht vorbereiten“, sagt der in der Bildungsbehörde zuständige Referent Jan Poerschke. Es solle kein „Teatching for the Test“ mehr geben. Ziel sei aber schon, die Schulen an die nationalen Bildungsstandards heranzuführen. Bei den Kompetenztest werde erhoben, was die Schüler bezogen auf diese Standards schon können und was nicht, um anschließend dem Fachlehrer eine Rückmeldung und eine Hilfestellung zu geben. Poerschke: „Die Lehrkräfte erhalten die Testergebnisse der Schüler und didaktisches Material zur Gestaltung des Unterrichts.“
Die Auswertung der Lernstandserhebungen übernimmt das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, Abteilung Qualitätsentwicklung. Somit entsteht kein zusätzlicher Korrekturaufwand für die Lehrer, die statt der alten Vergleichsarbeit wieder eine normale Klassenarbeit schreiben lassen.
„Die LSE eignen sich aber auch gar nicht für eine Note“, sagt Poerschke, „weil es in dem Test nicht unmittelbar um den Stoff der letzten Wochen geht“. Es solle aber auch darüber hinaus „kein Ranking, kein Ländervergleich, kein Schulvergleich“ damit angestellt werden, betont er. „Die Lehrer sollen nur sehen, das können ihre Schüler schon, das noch nicht. Und dafür sind diese und jene Aufgaben sinnvoll.“ Zum Beispiel würde auffallen, wenn Schüler zwar Bruchrechnung schon gehabt haben, sie zur konkreten Anwendung jedoch noch Übung brauchen.
Die Schulen wurden vor den Sommerferien von Bildungsamtsleiter Norbert Rosenboom über das neue Verfahren informiert. Die Termine für die Erhebungen stehen schon fest. So schreiben die 3. Klassen je eine für Deutsch und Mathematikin Deutschland am 6. und 8. Mai. Die 6. und 8. Klassen schreiben drei jeweils für Deutsch, Mathematik und Englisch jeweils Ende Februar. Bei den Terminen wurde darauf geachtet, dass noch genug Zeit im Schuljahr für die Förderung bleibt.
Jan Poerschke schließt trotz allem nicht aus, dass es an den Schulen einen „Bammel“ vor den Erhebungen gebe. „Wir bemühen uns um eine hohe Transparenz“, sagt er. „Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass der erste Durchgang immer schwierig ist und es beim zweiten und dritten mehr Routine gibt“.
Die Aufgaben für die Lernstandserhebungen, die es unter anderen Namen wie „Orientierungsarbeit“ in fast allen Bundesländern gibt, werden von länderübergreifenden „Aufgabenentwicklergruppen“ erstellt. Damit Lehrer und Schüler sich mit der Art und Weise der Aufgaben vertraut machen können, sollen laut Poerschke rechtzeitig Beispiele auf einer Internetseite des Landesinstituts für Lehrerbildung veröffentlicht werden.