: Das ganz andere Spiel
Die deutschen Fußballfrauen schlagen England in der Europameisterschaftsqualifikation mit 2:0 ■ Aus Bochum Christoph Biermann
Die Vergleiche von Frauenfußball mit dem Spiel der Männer sind fast noch eine Spur weniger erträglich als die Frage, ob der Fußball früher besser war als heute, oder welchen Spieler man auf die berühmte einsame Insel mitnehmen möchte.
Dabei ist Frauenfußball doch eine fremde und seltsame, aber völlig eigene Welt. Wo sonst bei einem Länderspiel im Fußball steht auf den Rängen hinter dem Tor ein Kinderwagen? Wo sonst wird ein Preßschlag mit dem Aufruf des Erstaunens von den Zuschauern quittiert, die so schöne Sätze sagen wie: „Die Liberin ist auch gut“, oder „Die sieht aus wie Stefan Reuter“?
Die korrekte weibliche Form von Libero ist aber, so man dem Nationaltrainer Gero Bisanz trauen darf, einfach Libero. Und die Frau, die der Hintermann mit dem Bayern-Verteidiger verglich, konnte diese Beleidigung glücklicherweise nicht hören.
Die Nationalmannschaft hatte es leicht gegen die Engländerinnen, die keine weibliche Variante des britischen Kampffußballs boten und somit nebenbei bewiesen, daß der Stil im Fußball keineswegs eine Frage des Nationalcharakters ist. Die beiden Tore von Britta Unsleber geben die Überlegenheit jedenfalls nur in sehr gedämpfter Form wieder. Immer wieder wieselten die beiden Außenstürmerinnen Ursula Lohn und Martina Voss ihren Gegnerinnen davon, zumeist eingesetzt von der überragenden Sylvia Neid.
Auffällig war dabei vor allem der Unterschiede in der physischen Konstitution. Einige deutsche Spielerinnen liefen ihren Gegnerinnen einfach davon. Die Frauen erinnerten auch daran, daß es von der Eckfahne bis zur Mitte des Strafraums durchaus ein gutes Stück ist. Bei einigen Eckstößen segelte der Ball langsam und angestrengt durch die Luft. Und hinter einem ordentlichen Spannschuß sitzt genug Kraft, eine Torfrau umzureißen. Frauenfußball weist auf die sonst so selbstverständlich scheinenden athletischen Grundlagen des Spiels hin, eben weil sie hier nicht so ausgeprägt sind. Deshalb (und keinesfalls trotzdem) wird der Umgang mit dem Ball noch wichtiger, was dazu beiträgt, daß das Spiel einen ganz eigenen Charakter bekommt.
Es ist aber nicht nur die Betonung des Spielerischen gegenüber dem Athletischen, sondern auch gegenüber dem Kämpferischen. Selbst bei diesem Länderspiel fehlte die Atmosphäre des Unbedingten, das selbst bei Auseinandersetzungen in den untersten Klassen des Männerspiels zu spüren ist, wo es selten reines Spiel ist, sondern fast immer um Leben und Tod geht.
Die besten Momente des Spiels der deutschen Nationalmannschaft mit Seitenwechsel, Doppelpaß, Flanke und Torschuß in zügiger Abfolge beruhten auf dem großen Geschick am Ball. Da machte es Spaß zuzugucken und bei den 3.051 Zuschauern im Kühlhaus Ruhr-Stadion kam Stimmung auf. Der Hintermann verfiel natürlich sofort in den gutgemeinten Da-kann-sich-manche- Bundesliga-Mannschaft-eine-Scheibe-von-abschneiden-Quatsch, der dem Frauenfußball nur schadet. Es ist nicht nur schlichtweg falsch, sondern hat auch noch den falschen Ansatz. Frauenfußball ist ein ganz eigenes Spiel — das andere Spiel mit dem Ball am Fuß — darauf sollten alle Beteiligten bestehen und sich Vergleichen zum Männerspiel verwehren. Und warum sollte das nicht, wenn etwas Phantasterei erlaubt ist, noch durch veränderte Regeln oder einen unabhängigen Verband deutlicher ausgedrückt werden.
Unter der Leitung von UEFA und FIFA werden aber im nächsten Jahr eine Europameisterschaft und im November in China die erste Weltmeisterschaft für Fußballfrauen ausgerichtet. Mit dem Erfolg über Englang ist die deutsche Nationalmannschaft für beide Endrunden qualifiziert.
BR Deutschland: Isbert — Unsleber — Raith, Nardenbach, Fitschen, Übelhöhr, Voss, Bindel, Mohr, Neid, Lohn.
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