piwik no script img

Das Wetter: Amselburnout

Es ist eine große Lüge aus der Menschenwelt, dass Amseln singen und pfeifen, dachte die Amselmutter und schlug regelmäßig mit den strammen Flügeln. Sie hatte den ganzen Tag gearbeitet. Als sie um die Ecke zu ihrem Vogelhäuschen bog, hörte sie ihre fünf kleinen Kinder schon laut und schrill schreien – „Kiiiiiiiiiiier, ­krrriiiier!“ Ermattet verlangsamte sie den Anflug, bremste, indem sie die Federn senkrecht stellte. Die Amselfrau war alleinerziehend und hatte keine Lust, die Kleinen zu füttern. Dann sperrte sie doch die kleine Tür auf und stellte erst mal die Aktenmappe mit dem Wurm auf dem Boden ab. „Tschilp“, stöhnte sie, bog einmal kurz den schiefen Rücken durch und schlug zweimal mit den Flügeln. Das Gefieder der Amselfrau war braunschwarz und ziemlich glanzlos. Sie beäugte es im geleasten Spiegel. War das bloß Erschöpfung oder schon Burnout? Mit letzter Kraft plusterte sich die Amselfrau auf und schüttelte das Gefieder: Zwei Unterfedern segelten langsam auf die ungeputzten Dielen. Was für eine Rabenmutter!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen