piwik no script img

Das Weib schweige in der Kirchenleitung

■ Frauenthemen sind beim Nordelbischen Machtapparat nicht gefragt

Nach außen gibt sich die Nordelbische Kirche frauenfreundlich: Eine Quotenregelung für kirchliche Ämter wurde kürzlich auf der Synodaltagung in Hamburg ebenso beschlossen wie eine Verfassung in frauengerechter Sprache. Damit setzte sich Nordelbien an die Spitze der klerikalen Emanzipationsbewegung, zumal Frauen hier Spitzenpositionen besetzen: Von den sieben Probstwahlen der letzten beiden Jahre im Großraum Hamburg gingen fünf an die Frauen.

Doch der Blick täuscht: Mit ihren gesellschaftlichen Forderungen zu Asyl, Paragraph 218 und Homosexualität kommen Frauen im kirchlichen Machtapparat nicht durch. Neben der Hamburger Bischöfin Maria Jepsen steht vor allem die Präsidentin des Nordelbischen Kirchenparlaments, Elisabeth Lingner, im Kreuzfeuer der konservativen Kritik.

Die Asyldebatte während der Nordelbischen Synode vor gut einem Jahr hatte der Kirchenleitung den ersten Schock versetzt. Die war seinerzeit auf SPD-Kurs umgeschwenkt und wollte Einschränkungen des Grundgesetzes nicht mehr ganz ausschließen. Die neue Synodenpräsidentin Lingner dagegen setzte sich öffentlich für eine Beibehaltung des Grundgesetz-Artikels ein und brachte die Synode auf ihre Seite.

Die Disziplinierung erfolgte umgehend: War ursprünglich eine eigenständige Pressearbeit für die Synode geplant, so muß Elisabeth Lingner jetzt die Arbeit des Sprechers von Lübecks Bischof Karl Ludwig Kohlwage in Anspruch nehmen, der als Vorsitzender der Kirchenleitung ranghöchster Geistlicher in Nordelbien ist. Dessen Pressesprecher Ocke Peters (“Gott weiß alles, Peters weiß mehr“), ein ehemaliger dpa-Redakteur aus Kiel, zog schon kurz nach seiner Amtsübernahme vor einem Jahr mit teils rüden Methoden die Medien-Kontakte an sich.

Sein Gesellenstück lieferte Peters zum Karlsruher 218-Spruch. Die Kirchenleitung sollte noch am Tag der Urteilsverkündung eine gemeinsame Erklärung abgeben. Heraus kam ein windelweicher Text, wonach das Urteil im wesentlichen den Beschlüssen der Nordelbischen Synode folge. Die Positionen von Jepsen und Lingner, eine Schwächung der Frauenrechte nicht zuzulassen, wurden im Gremium abgebügelt. Selbst die couragierte Frauen-Pastorin Rut Rohrandt (Kiel) gab kein eigenes Votum ab – auf Druck der Kirchenleitung, sagen Insider.

Einzig die Frauenwerke mochten den Karlsruher Spruch nicht unkritisch hinnehmen und wandten sich an die Öffentlichkeit. Ergebnis: Künftig soll ihre Medienarbeit über die Pressestelle in Kiel abgewickelt werden. Dabei werden sie Öffentlichkeitsarbeit nötig haben. Denn auf der Spar-Liste des Kieler Kirchenamtes stehen sowohl das Frauenreferat von Rut Rohrandt als auch die Frauenwerke ganz oben.

Eine herbe Niederlage mußte die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen in Sachen Homosexualität einstecken. Sie habe nichts gegen homosexuelle Paare in Pastorenwohnungen einzuwenden, hatte sie im Sommer auf einer Pressekonferenz gesagt. In einem Geheimpapier ihrer schleswig-holsteinischen Bischofskollegen Kohlwage und Hans Christian Knuth wurde dagegen festgeschrieben, daß Homo-Paare im Pastorat nicht zu dulden seien. Auch dürften sie - im Gegensatz zu Tieren (Michel-Gottesdienst) - nicht gesegnet werden. Knuth ließ das Papier großzügig unter seinen Schleswiger Pastoren verteilen. Als die Synode forderte, das Papier öffentlich zu diskutieren, enthielt Kohlwage es dem Parlament als „vertraulich“ vor.

Der nächste Coup gegen Jepsen wird für den Hamburger Kirchentag (Juni 1995) vorbereitet. Deren Popularität ist Bischof Kohlwage ohnehin ein Dorn im Auge. Zwar durfte Maria Jepsen noch auf dem Münchner Kirchentag werbewirksam alle Christen nach Hamburg einladen, in der Hansestadt sollen ihre medienöffentlichen Auftritte jedoch beschnitten werden. Gastgeberin an der Elbe, so heißt es intern, sei schließlich nicht der Sprengel Hamburg, sondern die Nordelbische Kirche: Die allerdings wird vertreten durch den Lübecker Bischof Karl Ludwig Kohlwage. Clara Odenthal

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen