: Das Straßenbild
Die Reklamerezension. Heute: Der Herr der Ringe
Eine der innovativsten und zugleich rätselhaftesten Produktkampagnen ist zweifellos die ZDF-Plakatserie „Mit dem Zweiten sieht man besser“. Immer wieder stand ich grübelnd vor Peter Hahne und anderen Prominenten, die mit zwei Fingern ihr rechtes Auge verdeckten. Meint das ZDF vielleicht, dass ich nur mit einem Auge fernsehen soll? (Rechtes Auge blind?!) Sie können doch im Ernst nicht hoffen, dass ich wegen dieser Plakate „Frauenarzt Dr. Markus“ und „Wetten dass“ gucke?
Kürzlich hatte das Rätselraten ein Ende, als ich das Plakat mit Dr. Vitali Klitschko erblickte. Schlagartig wurde mir klar: Es geht um etwas ganz anderes. Nicht um schnöden Kundenfang, nein, es steckt viel mehr dahinter (so wie auch hinter dem ZDF mehr als ein Fernsehsender steckt, ganz sicher, glauben Sie mir): Letzten Endes wird uns hier die Sinnlosigkeit allen Strebens vor Augen geführt! Da bereitet sich Vitali, ein kraftstrotzendes Mannsbild, das gerne Mohrrübensaft trinkt, intensiv auf den großen Kampf vor. Bei einer Trainingsrunde knackt die Bandscheibe zwischen dem vierten und dem fünften Lendenwirbel ein. Der Kampf wird abgesagt. Mehrere tausend Buchseiten lang kämpfen Frodo, der Hobbit und seine Gefährten um die Herrschaft über den Zauberring. Schließlich stürzt der Ring beim entscheidenden Endkampf zwischen Frodo und dem Feuchtmolch Gollum in den Schicksalsberg. Das haben die Guten zwar so gewollt, aber um welchen Preis? Die Geschichte des Rings ist zu Ende. Wir dürfen nicht mehr weiterlesen. Wir müssen wieder von vorne anfangen und wie ein Prometheus den Wälzer und den Gegner niederringen. Wir fragen dabei nicht nach dem Sinn und boxen einfach weiter. Wie der große Dr. Klitschko. ANGELIKA FRIEDL
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen