: „Das Spiel ist aus“
taz: Herr Runde, der Bund hat den Ländern bisher viele Zugeständnisse gemacht. Manche sagen: zu viele. Gibt es bei den Bundestagsabgeordneten jetzt Schadenfreude, wenn die Reform scheitert?
Ortwin Runde: Nein. Dazu ist sie zu wichtig. Der Bund gewinnt ja auch an Handlungsfähigkeit, wenn weniger Gesetze die Zustimmung des Bundesrats benötigen. Manches problematische Detail, etwa dass die Länder künftig für die Gesetze im Strafvollzug zuständig sein sollen, hätte man im Lauf der Beratungen in Bundestag und Bundesrat noch ändern können.
Die Bundesländer sollten bei der Föderalismusreform viele neue Kompetenzen bekommen, zum Beispiel im Beamtenrecht. Sind die Länder vielleicht ganz froh, wenn die Reform scheitert – weil sie Angst vor neuen Aufgaben und dem Wettbewerb untereinander haben?
Als Hamburger Bürgermeister saß ich ja früher selbst auf der Länderseite und weiß daher, wie schwer es ist, die Interessen wirtschaftsstarker und eher schwächerer Länder unter einen Hut zu bekommen. Aber die Föderalismuskommission hat so viel erreicht, dass es eigentlich für alle Länder attraktiv sein sollte.
Betrachten wir die bisherigen Verhandlungsergebnisse aus Sicht der Bürger: Nach wie vor wäre nicht transparent, welche Ebene für welche Politikgebiete zuständig ist, Deutschland wäre eher noch komplizierter geworden.
Die Kommission hat sich immerhin an eine echte Neuverteilung der Gesetzgebungskompetenzen herangetraut. Bei der Grundgesetzänderung 1994 hat man dagegen gesagt, der Bund soll bei der konkurrierenden und bei der Rahmengesetzgebung nur noch zum Zuge kommen, wenn es wirklich erforderlich ist. Das sieht zwar schöner aus, sorgt aber für ständige Unsicherheit.
Ist die Reform jetzt endgültig gescheitert, oder wird nur hoch gepokert?
Ich bin ein optimistischer Mensch und glaube, die Vernunft setzt sich am Ende durch. Aber wenn beim Pokern der Tisch umgeworfen wird, ist das Spiel zu Ende.
INTERVIEW: CHRISTIAN RATH