: Das Schwafelkraftwerk
NEUE WEGE DER ENERGIEGEWINNUNG Tüftler aus aller Welt entdecken die Kraft der Sprichwörter als bislang ungenutzte Energiequelle
Wenn in China der Reissack umfällt, wackelt in Bochum die Currywurstbude. Sprichwörter wie diese enthalten oft mehr als nur ein (Reis-)Korn Wahrheit – sie sind Indikatoren für jahrtausendealtes Wissen und verschüttete Sinnzusammenhänge, Wegweiser in eine bessere Zukunft, die der moderne Mensch allerdings erst wieder lernen muss zu verstehen. Heinz Bäuerlein aus Onstmettingen ist einer der Ingenieure, die gelernt haben, auf die unerschöpfliche Kraft der Sprichwörter zu vertrauen. Der bescheidene Ökotüftler sucht in Zeiten der Klimakatastrophe nach neuen Energiequellen.
„Wenn darüber nachgedacht wird, mittels gigantischer Solaranlagen Sonnenenergie aus der Wüste für Europa nutzbar zu machen“, so seine Überlegung, „dann müssen auch anderswo kostenlos verfügbare Stromressourcen angezapft werden.“ Und so kam er auf die Idee, die beim Umfallen der chinesischen Reissäcke entstehende kinetische Energie aufzufangen und mittels hochkomplexer Bewegungstransmitter in Strom umzuwandeln. Wenn also Bäuerleins Vision Wirklichkeit wird, könnte es in Zukunft heißen: Wenn in China die Reissäcke umfallen, gehen in Deutschland die Lichter an.
Heinz Bäuerlein ist aber natürlich nicht der Einzige, der auf der Grundlage von Sprichwörtern nach einem Ausweg aus der Energieklemme forscht. Think Tanks rund um den Globus beschäftigen sich mit dieser Frage – die Wahrheit hat sich bei führenden Wissenschaftlern und Energiesparfüchsen umgeschaut und stellt ihre bahnbrechenden Erfindungen vor.
Statt Energie teuer zu produzieren, muss man sie dort abholen, wo sie billig zu haben ist, lautet das Credo eines anderen Forschers, der sich wie Bäuerlein von der Urkraft der Sprichwörter inspirieren lässt. „Wenn Amerika niest, bekommt Europa Schnupfen“ – auch so eine Redensart, die manch einer gedankenlos nachplappert. „Warum aber muss Amerika so viel niesen?“, bohrt der sichtlich aufgebrachte Energiepionier Frank Niehuus aus Dormagen nach. „Ganz eindeutig doch deshalb, weil die Klimaanlagen im Reich der unbegrenzten Möglichkeiten viel zu kalt eingestellt sind. Aber die Amis kennen es ja nicht anders.“ Anstatt diese Tatsache nun aber bloß resigniert zur Kenntnis zu nehmen, forscht Niehuus an der Quadratur des Kreises aus amerikanischem Kühlungsbedürfnis und weltweitem Energiebedarf. Seine Lösung: Miniwindräder, die vor den Auslassschlitzen der Klimaanlagen montiert sind, können aus der kalten Zugluft einen Großteil der zur Erzeugung der Kälte verbrauchten Energie zurückgewinnen.
„Steter Tropfen höhlt den Stein“ – diese Uraltkamelle aus dem Sprichwortfundus unserer Großväter mag man nicht mehr hören. Der Entwickler nachhaltiger Nanokraftwerke Florian Niedermeier sieht das anders. Statt gigantomanischer Großprojekte wie Gezeitenkraftwerken setzt der bedächtige Osnabrücker auf die stete Aufprallenergie fallender Wassertropfen. Seine im Dunkel von Tropfsteinhöhlen oder unter leckenden Dachrinnen installierte Tropfturbine liefert ein erkleckliches Quantum Extra-Vergine-Strom für den gehobenen Singlehaushalt.
„Auf dem Rücken der Pferde liegt das Königreich der Erde.“ Alistair McDuffs pneumatischer Pumpsattel wiederum erzeugt durch das beim Reiten übliche Auf und Ab des menschlichen Körpers ein gerüttelt Maß bislang ungenutzt verpuffender Sekundärenergie, deren Nutzbarmachung zum Lebensinhalt des pensionierten schottischen Polizeiwachtmeisters geworden ist. Und wer einmal gesehen hat, welche Stromausbeute schon ein einzelner Reiter zu erbringen vermag, kann sich vorstellen, welch immense Energieleistung etwa Dschingis Khans Reiterhorden hätten erzielen können, wären sie denn mit McDuffs Patentsattel ausgerüstet gewesen!
Dass die sprichwörtliche Energiegewinnung auch mal ganz schön „ins Auge“ gehen kann, musste der Altöttinger Wastl Obermoser am eigenen Körper leidvoll erfahren. Der gelernte Flugzeugbauingenieur stürzte sich voller Enthusiasmus in ein Projekt, das wohl eine Nummer zu groß für ihn war. Sein Versuch, Eulen nach Athen zu tragen und dabei gleichzeitig auch noch Energie zu erzeugen, scheiterte kläglich. Bei Ljubljana geriet er mit seinem linken Bein in die nur unzureichend abgeschirmte Eulenturbine und musste mit dem ADAC-Hubschrauber in die Heimat zurücktransportiert werden. Ein allzu ambitioniertes Unterfangen fand so sein vorläufiges Ende. Obermoser tüftelt vom Krankenlager aus aber bereits an der Perfektionierung seines Projekts. Man darf gespannt sein, ob sein visionäres Turbinenmodell beim zweiten Anlauf den Praxistest besteht. RÜDIGER KIND