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Das Projekt Schönefeld gerät ins Trudeln

Heute berät die Flughafenholding BBF über den Ausbau des Flughafens Tegel. Das 200-Millionen-Projekt soll Flugverkehr anziehen. Die SPD argwöhnt Gefahr für die Zukunft des Großflughafens Schönefeld  ■ Von Bernhard Pötter

Rüdiger Landowksy fliegt auf Tegel. Auch bei einer geplanten Schließung solle der Flughafen Tegel als „Regierungsflughafen betriebsbereit gehalten werden“, erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende bereits im Mai 1996. Man brauche „Pläne, wie man Tegel im Falle eines Falles auf die Größe eines hauptstadtfähigen Flughafens ertüchtigen“ könne.

Der „Fall des Falles“ rückt näher. Denn die „Ertüchtigung“, der weitere Ausbau von Tegel, steht heute auf der Tagesordnung beim Aufsichtsrat der Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF): Eine Million Mark für die Planung eines neuen Abfertigungsgebäudes „Terminal West“ in Tegel soll genehmigt werden. Während die Ausbau-Befürworter damit den Flugverkehr an Berlin binden wollen, sehen die Berliner und die Brandenburger SPD darin den Anfang vom Ende der gemeinsamen Flughafenplanung im „Konsensbeschluß“.

In diesem Kompromiß nämlich einigten sich die BBF-Anteilseigner, der Bund, Berlin und Brandenburg, 1996 darauf, den Großflughafen Berlin-Brandenburg (BBI) in Schönefeld zu bauen.

Um den Betrieb rentabel zu machen, sollten die Flughäfen Tempelhof (2002) und Tegel (2007) geschlossen werden. Der Ausbau von Schönefeld für etwa acht Milliarden Mark und der Betrieb der Flughäfen sollen an ein privates Investorenkonsortium übergehen, das bis zur Jahresmitte gefunden sein soll.

Auch mit Tegel hat die BBF Großes vor: Ein neues Terminal soll für die Zeit von 2002 bis 2007, wenn Tempelhof bereits geschlossen ist, jährlich zusätzlich 3,4 Millionen Passagiere abfertigen (1996 in Tegel: ca. 9 Millionen Passagiere). Das 200-Millionen-Mark- Projekt soll sich nach Angaben von BBF-Geschäftsführer Götz Herberg „selbst rechnen und keine Investitionsleiche werden“. Ohne den Zubau könne man 2007 „zwei Millionen Passagiere weniger aufnehmen“ und gefährde so die Wirtschaftlichkeit des neuen Großflughafens BBI. Dennoch hat der Finanzausschuß der BBF es vergangene Woche abgelehnt, die geforderten Planungsgelder für das Projekt freizugeben.

Die Berliner SPD-Fraktion sieht die Gefährdung für den Flughafen Schönefeld dagegen gerade im Ausbau von Tegel. Eine „Kapazitätserweiterung ist wirtschaftlich nicht vertretbar“, hieß es vergangene Woche. Denn Schönefeld, so die Logik des Konsensbeschlusses, rechnet sich nur ohne regionale Konkurrenz und als internationales „Luftdrehkeuz“. Das aber wäre mit einem starken Ausbau von Tegel gefährdet, was wiederum das Interesse privater Investoren für die BBF stark vermindern würde.

„Vom Konsensbeschluß gibt es kein Abrücken“, heißt es offiziell vom Senat und von der BBF. Doch bereits im Dezember 1997 sorgte der Aufsichtsratsvorsitzende und Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) für Aufregung: Er erklärte bei Parteifreunden, Tegel solle für „Regierungs-, Militär- und Privatmaschinen“ offengehalten werden, ließ dann aber umgehend dementieren. Diepgen stellte sich auch öffentlich gegen die Empfehlung aus dem BBF-Finanzausschuß, keine Gelder für Tegel freizugeben.

Die SPD fürchtet mehr als eine normale Koalitionskrise. Die GenossInnen argwöhnen, daß die Investition in Tegel die zeitgerechte Schließung des Flughafens erschwert oder unmöglich macht. Denn daß sich die Investition bis 2007 amortisiert, wie die BBF angibt, halten viele für unrealistisch. Schließlich argumentiert CDU- Verkehrssenator Jürgen Klemann für den Bau der U-Bahnlinie 5 am Reichstag, man könne „nicht erst 400 Millionen verbuddeln und den Bürgern dann erklären, das wird nicht gebaut“. Ebensoschwer zu erklären könnte es sein, warum 200 Millionen Mark Steuergelder in einen Flughafen investiert werden sollen, der ein paar Jahre nach dem Ausbau vollständig geschlossen werden soll.

„Es könnte so aussehen, als würde der Konsensbeschluß in Frage gestellt“, heißt es aus der Brandenburger Staatskanzlei. Deren Chef Jürgen Linde, Mitglied im BBF-Aufsichtsrat, protestierte gegen die Tegel-Pläne. Er gehe davon aus, daß zusätzliche provisorische Abfertigungskapazitäten in Schönefeld geschaffen würden, solange es keine Gesamtberechnung für alle Berliner Flughäfen gebe.

Gerade vor dieser Verlagerung schrecken die Flughafenplaner zurück. Denn in Schönefeld sind Kapazitäten frei. Eng ist es vor allem auf dem ehemaligen West-Flughafen Tegel.

Doch die Airlines wehren sich gegen den Umzug in den bei Passagieren unbeliebten Osten, weil ihnen dort gegenüber den Tegel- Fliegern Wettbewerbsnachteile entstehen. Sie drohen mit Abwanderung: 30 Prozent der Tempelhof- Linien wollen Berlin nach Angaben der ÖTV bei einer Schließung des Flughafens verlassen. Das zu verhindern und das Flugaufkommen stetig zu steigern ist der offizielle Grund für die Tegel-„Ertüchtigung“.

Auch die ÖTV im Aufsichtsrat der BBF übt den Spagat: Man halte am Konsensbeschluß fest, heißt es. Doch „einer positiven Entwicklung des Flugverkehrs für den Großflughafen muß jetzt Rechnung getragen werden“, heißt es in einem Konzept für die Aufsichtsratssitzung. Es müsse „aus ökologischer und ökonomischer Sicht geprüft werden“, welche Optionen für die Flughafenplanung bestünden: Wenn beide sich rechneten, solle man sich für Schönefeld entscheiden.

„Ein Ausbau von Tegel macht überhaupt keinen Sinn“, meint dagegen der SPD-Verkehrspolitiker Christian Gaebler. Natürlich könne man mit einem neuen Terminal knapp vier Millionen Passagiere mehr abfertigen – doch dafür reiche die Infrastruktur in Tegel ohnehin nicht aus: Weder gebe es eine ausreichende Verkehrsanbindung noch könnten in den interessanten Zeiten wie etwa früh am Morgen noch mehr Flugzeuge starten. Für Gaebler ist bei der Diskussion um den Tegel-Ausbau klar: „Der einzige rationale Grund dafür ist der Wille, den Konsensbeschluß zu kippen.“

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