■ Das Portrait: Reicher Weihnachtsmann
Wo dieser Weihnachtsmann sein Handwerk gelernt hat, konnte leider nie geklärt werden. Doch wie Zeugen berichten, erledigte der Mann seinen Job in angemessener Würde.
Auf den Rolltreppen des Münchner „Kaufhof“ rempelte er niemanden an; seine Nikolausmaske lächelte gleichbleibend freundlich, und die rote Mütze saß standesgemäß schief.
Pünktlich, wie gute Nikoläuse sind, kam er an jenem Samstag im Dezember 1970 um 18.30 Uhr im siebten Stock des „Kaufhof“ an. Er spazierte in den Tresorraum, wo der Geschäftsführer mit einigen Kolleginnen gerade die Geldscheine für den Transport zur Bank zurechthäufelte.
Mister Xmas öffnete seinen Jutesack und fing an, die herumliegenden Scheine einzupacken. Der Geschäftsführer versuchte es mit einer freundlichen Belehrung: „Das ist kein Spaß mehr, das geht zu weit“, sprach er irritiert. „Richtig“, antwortete da der Weihnachtsmann, zog eine Pistole und fragte freundlich mit österreichischem Akzent: „Soll ich Ihre Fräuleins erschießen?“ Der Geschäftsführer sah seinen Fauxpas ein und stopfte den Jutesack mit allen Scheinen voll, die nach einem erfolgreichen langen Samstag im Haupttresor des „Kaufhof“ herumlagen: 183.000 Mark in bar und über 100.000 Mark in Schecks.
Der Nikolaus schulterte seinen Beutel, verschwand – vermutlich durch den Personalaufzug – und ward nicht mehr gesehen.
Ein Weihnachtsmann mit besonderem Geschäftssinn Foto: Reuter
Die anschließende Fahndung litt unter gewissen Schwierigkeiten. Ein Aufruf an die Passanten („Achtung, Achtung, in Münchens Fußgängerzone ist ein Nikolaus unterwegs“) versprach wenig Erfolg. Ein Phantombild hatte zwar den Vorteil, daß es leicht zu erstellen war, doch sonst wenig Nutzen ergab. Und die sofortigen Personenkontrollen aller Nikoläuse im Umfeld des „Kaufhof“ demaskierten zwar viele – aber nie den richtigen. Der Münchner Kriminalbeamte Eugen Sachse wollte den Fall schließlich abschließen, mußte sich jedoch immer wieder mit dem denkwürdigen Samstag vor 25 Jahren herumärgern.
Denn andauernd behauptete irgendwer, der Nikolaus- Räuber zu sein. Achtmal habe er dann das Gegenteil beweisen müssen, sagt Sachse: „Einer war dabei, der wollte es unbedingt gewesen sein. Dem nachzuweisen, daß er es nicht war, hat mir mehr Arbeit gemacht als jeder andere Fall meiner Laufbahn.“ Felix Berth
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