Eine lange Reise durch die Sinnsuche: „Gambling, Gods and LSD“ von Peter Mettler im 3001 : Das Material atmen lassen
Ein dreistündiger Dokumentarfilm über die Sinnsuche der Menschen in verschiedenen Ländern – den kann man doch auch noch sehen, wenn er bei Arte oder auf 3sat läuft, oder noch besser: aufzeichnen und dann häppchenweise anschauen wie einen Themenabend, irgendwann... Dies empfiehlt sich bei Gambling, Gods and LSD jedoch noch weniger als bei den meisten anderen fürs Kino gedrehten Filmen. Viel zu komplex ist dazu das aus den unterschiedlichsten Bild- und Tonelementen zusammengesetzte Werk gearbeitet, das sich selbst als „audiovisuelle Komposition“ versteht und als eine Art kontemplativer Bildersturm daherkommt.
Nach dem schier undurchdringlichen Bildgeflacker des Anfangs und ein paar Erkundungsgängen durch Toronto kommt der Film auf dem Dach eines Luxushotels am Flughafen der kanadischen Metropole erstmals zur Ruhe. In Toronto, wo der in der Schweiz aufgewachsene, kanadische Regisseur Peter Mettler lebt, spielt etwa das erste Viertel des Films um den Zuschauer dann auf eine Reise durch den amerikanischen Westen, in die Schweiz und nach Indien mitzunehmen.
Mettlers später im Film geäußerte Beobachtung, dass ihm, je länger und weiter er reise, umso mehr die Ähnlichkeiten bestechen als die Kontraste, mag man schon in den Bildern von einer Zeremonie der „Toronto Airport Christian Fellowship Church“ bestätigt finden, meint man die hier praktizierte Religiösität – „I feel Jesus!“ – doch viel eher aus den USA zu kennen – allem von Michael Moore in Bowling for Columbine postulierten Gegensatz zwischen US-Amerikanern und Kanadiern zum Trotz.
Mettler, der unter anderem als Kameramann für Atom Egoyan gearbeitet hat und seit zwanzig Jahren eigene Filme macht, deren bekanntester Picture of Light über das Polarlicht ist, ist ein intuitiv vorgehender Künstler, der immer versucht, eines aus dem anderen zu entwickeln. Wie er später im Film den Bogen von den Dreharbeiten zu einem Bollywoodfilm in den Schweizer Alpen nach Indien schlägt, so zieht es ihn von Toronto aus erst mal zu den Projektionsflächen des amerikanischen Traums.
Der in einer beschleunigten Kamerafahrt beschworenen erhabenen Schönheit des Monument Valleys lässt er wenige Szenen später Bilder von der Sprengung des Aladdin Hotels in Las Vegas folgen. Dort, in der Wüste Nevadas, findet Mettler außer Spielcasinos, deren Betrieb er aus dem Blickwinkel des Security Department, also durch die Augen der Überwachungskameras zeigt, auch einen Vertreter von „Dante‘e Amore of Paradise Electro Simulations“. Der antwortet auf die Frage, wovor er am meisten Angst habe: „Vor mir selbst.“ Hier ist es auch, wo Mettler seine selbst gesteckten thematischen Fixpunkte gleichsam materialisiert vorfindet: Der Wunsch nach Transzendenz, die Verleugnung des Todes, die Illusion von Sicherheit und unsere Beziehung zur Natur.
Obwohl erst vor einem Jahr fertig gestellt, kommt einem der mit vielen Preisen ausgezeichnete Film schon jetzt irgendwie nicht mehr ganz heutig vor, sondern ein wenig wie wie eine Flaschenpost aus dem doch eigentlich noch gar nicht so lange vergangenen 20. Jahrhundert.
Die Beschleunigung des modernen Lebens und seiner immer schneller wechselnden Moden ist sehr schön an den schon jetzt fast fremdartig ethusiastischen Schweizer Techno-Jüngern abzulesen. Dies hat sicher auch damit zu tun, dass Mettler sich als „Autor“ zwar zeitweise fast so weit zurücknimmt wie Eckhart Schmidt in seinen Dokumentationen. Aber eben doch nur zeitweise: Wie Chris Markers mehr- (Sans Soleil) oder Wim Wenders weniger gelungener Bis ans Ende der Welt ist Gambling, Gods and LSD ein Film, der eine Summe des Sinns zieht.
Wobei Peter Mettler – zumindest bisher – am meisten den Ideen des LSD-Erfinders Albert Hofmann verpflichtet scheint: „Es gibt einen großen Sender: den Kosmos, die ganze materielle Welt. Und es gibt unendlich viele Empfänger. Jedes Individuum, jeder einzelne Mensch ist ein Empfänger.“ Eckhard Haschen
Sonntag, 12 Uhr; weitere Termine: 19. + 26.11., 20.30 Uhr; 23.11., 12 Uhr; 3001 Kino