: Das Klassenziel heißt Sparen
■ Leibnizschule klagt die versprochene Sanierung ein / Behörde: „Nichts da zum Verteilen.“
Die Brauerei-Pferde von der Haake-Beck-Kutsche legten die Ohren an, die südamerikanischen Touristen ließen den Roland Roland sein und swingten mit: 200 SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern des Schulzentrums am Leibnizplatz standen gestern vormittag auf dem Marktplatz, hielten Plakate wie „Unsere Träume sind mehr Räume“ und „Full House“ in die Höhe und sangen gegen die Raumnot in ihrer Schule an: „Es ist alles viel zu eng, viel zu klein, nur getüncht, nur gelackt – Entschuldigung, ihr seid ja wohl beknackt!“
Gemeint war „der Senat“, besonders die Senatoren Volker Kröning und Henning Scherf. Denen hatte die Schule dann auch in schöner pädagogischer Tradition ein „Lernentwicklungsbericht“ ausgestellt, also ein Zeugnis. Sowohl dem Finanz- als auch dem Bildungssenator wird darin bescheinigt, sich „im vergangenen Schuljahr viel Mühe bei der Amtsführung“ gegeben zu haben, aber in Mathe „Probleme mit positiven Zahlen“ zu zeigen. Die Armmuskeln würden durch „Geldumschaufeln“ gestählt, aber im Bereich Kunst beschäftigen sich die Politiker zu sehr mit „Luftschlössern“.
Denn im Gegensatz dazu hat die Schule am Leibnizplatz ganz konkrete Probleme. Das alte Gemäuer von 1909 wurde 1984 als Schule mangels Schülermassen geschlossen und war bereits damals renovierungsbedürftig. Zum Herbst 1991 öffnete sie als „integrative Stadtteilschule“ wieder ihre Pforten, weil es doch wieder mehr SchülerInnen gab als gedacht. Doch mittlerweile war im Altbau des Gebäudes die Erwachsenenschule untergebracht, und im Anbau, der die Schulaula enthält, spielt erfolgreich die „Shakespeare Company“.
Angetreten ist Schulleiter Norbert Rüppell mit dem Versprechen des Bildungsressorts in der Tasche, daß die Schule von Grund auf saniert würde und auch der Altbau zur Verfügung stehen sollte. Denn die Schule wird größer: jedes Jahr werden vier Klassen mit 20 SchülerInnen aufgenommen, bis in drei Jahren die Gesamtzahl von 480 SchülerInnen erreicht ist. Insgesamt knapp 10 Mio sollte die Sanierung kosten, 8 Mio wurden bewilligt.
Doch damit die Erwachsenenschule aus- und umziehen kann, sind schon 4 Mio fällig. Und die wurden kurzerhand aus dem 8-Mio-Topf für die Sanierung finanziert. Da bleibt für die Leibnizschule nur Geld, um sie „betriebssicher herzurichten“, wie die Behörde meint. Das aber heißt nach Meinung von Rüppell noch lange nicht, daß die Schule „funktionssicher“ ist: „Uns fehlen Klassenräume, uns fehlen Fachräume, uns fehlen Abstellräume, uns fehlt eine Aula.“
Und auch in der Bausubstanz ist der Wurm drin: Unterm Dach große Wasserflecken an den Decken, Wasser in den Wänden, die Heizungsrohre völlig verrostet. „Wenn es stürmt, kommt der Dachdecker von ganz alleine, weil er weiß, daß bei uns Ziegeln vom Dach fallen“, meint Rüpells Stellvertreter Peter Reinecke. „Wir können natürlich alles anstreichen, aber in zwei Jahren ist es dann wieder da.“ Richtig von Grund auf saniert müßte das Gebäude werden, wie es geplant war. Denn je länger man wartet und von der Substanz lebt, desto teurer wird es dann einmal, wenn man wirklich sanieren will.
Die Bildungsbehörde zuckt ratlos mit den Schultern und kehrt die leeren Taschen nach außen, wenn die Rede auf die Sanierung kommt. „Es geht einfach nicht“, sagt Birgitt Rambalski „wir sind schon froh, die 4 Millionen aus dem 37-Millionen-Sonderprogramm zusammenbekommen zu haben.“ Auf der Prioritätenliste des Ressorts stände die Leibnizschule ganz oben, aber „es ist nichts da zum Verteilen“. Insgesamt hat die Behörde einen dringenden Baubedarf für alle Schulen ermittelt, der sich auf 135 Mio Mark beläuft. Auch bei optimistischen Schätzungen werden dabei knapp hundert Millionen fehlen. An einen großen Wurf für die Leibnizschule mit einer umfassenden Sanierung ist dabei nicht zu denken. „Wir hangeln uns so von Strohhalm zu Strohhalm“, sagt Rambalski. Bernhard Pötter
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