: Das „Iglu“ brach im Ansturm nieder
■ Massenansturm am letzten Tag der Zeitgeist-Ausstellung „Epoche der Moderne“ im Gropius-Bau. Trotz herber Verrisse der Ausstellung kamen nahezu 210.000 BesucherInnen zu der Monumentalschau
Kurz nach dem Gewitterschauer, gestern am frühen Nachmittag, ging im Martin-Gropius- Bau erst einmal gar nichts mehr. Wartende Besucher ohne Regenschirm hatten das Foyer „überschwemmt“. Die kleine Garderobe platzte aus allen Nähten. Am Stand für Kataloge herrschte ein kapitaler Engpaß. Und oben, in der Ausstellunghalle, brach zur gleichen Zeit das „Iglu“ des Künstlers Merz zusammen.
„Natürlich ist das heute noch einmal stressig“, sagt Stephanie Jaeckel, die Führungen durch die Ausstellung „Die Epoche der Moderne – Kunst im 20. Jahrhundert“ leitet. Gerade eben, am letzten Tag der Megaschau, habe sie noch einmal eine Gruppe von dreißig Personen durch die Bilderwelten von Picasso, Duchamp oder Andy Warhol geschleust – vorbei an Tausenden von Kunstfreunden, die sich vor den Bildern drängelten. Mehr Führungen, meint Jaeckel, seien bei dem Ansturm heute nicht drin, bei soviel Menschen gingen die Erklärungen schlichtweg unter. „Da brummt nur noch der Kopf von der eigenen Stimme, jetzt ist Feierabend für mich.“
Weniger Probleme mit den Besucherschlangen, die sich gestern bis hinaus zur Stresemannstraße zogen, haben dagegen Christos Joachimides, Ausstellungsmacher der „ZEITGEIST-Gesellschaft“, und sein Organisationsteam. Der Chef schwitzt zwar mächtig, trotzdem gibt man sich im „Staff“ cool. „Heute rechnen wir noch einmal mit 10.000 Besuchern“, erklärt Pressesprecherin Karin Osbahr. Mit der hohen Zahl von 8.300 Personen am Samstag hätten dann weit über 210.000 Kunstliebhaber die Ausstellung gesehen. Das sei mehr als bei der letzten ZEITGEIST-Präsentation „Amerikanische Kunst“ gewesen. „Da waren es rund 170.000.“
Daß man bei den ZEITGEIST- Machern nach den heftigen Kritiken und Verrissen für die Modernen-Ausstellung sich des Erfolges nicht sicher sein konnte, räumt Osbahr ein. „Klar hatten wir Angst, in ein Sommerloch zu fallen oder die Touristen zu verlieren.“ Auf die Überschreitung der 200.000-Grenze hätte man gehofft, aber nicht immer daran geglaubt; ebenso nicht daran, daß rund 20.000 „dreieinhalb Kilogramm schwere“ Kataloge unters Volk gebracht werden konnten.
Die Ansammlung von 400 Kunstwerken der Moderne des 20. Jahrhunderts war in der Vergangenheit mehr getadelt als gelobt worden. Konzeptionslos, als Anhäufung von Quantitäten längst bekannter Schinken sei die Schau dahergekommen, die zudem die osteuropäische Moderne und die aktuellen Stile, Programme und Kunstrichtungen vernachlässigt habe. Wütend reagierten nicht allein die Kritiker, wütend waren auch junge Künstler, die das aufgeblasene 16-Millionen-Mark-Konzept als pure Geldverschwendung geißelten – streicht man ihnen doch die Fördertöpfe zusammen.
Während für Richard Szkloz, Pressesprecher, das ZEITGEIST- Ereignis schon deshalb ein Erfolg bleibt, weil man die Schau ohne größere Schwierigkeiten über die Runden gebracht hat – bis auf das Problem, daß „Frauen immer mit Handtaschen durch die Räume gegen wollten“ –, stört sich die Kunstführerin Jaeckel an der Modernen- Feindlichkeit der Besucher. Die Kunstwerke im Lichthof von Beuys, Duchamp oder anderen Avantgardisten hätten die „größten Aggressionsraten“ erzielt. Gerade Schüler hätten bezüglich des modernen Kunstbegriffs die meisten Schwierigkeiten geäußert.
Als draußen ein weiterer Gewitterguß niedergeht, drängt man sich wieder im Martin-Gropius-Bau. „So müßte es immer sein“, findet ein Kunstfreund, der sich die Schau zum drittenmal anschaut. Rolf Lautenschläger
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