: Das High im Norden
Senat legt Gutachten über Hamburger Suchthilfesystem vor. Ausstiegsorientierung und Sparen heißen die Ziele. Jugendlichen Drogenkonsumenten wird zu spät geholfen. Psychosoziale Betreuung soll auf den Prüfstand
Von Marco Carini
Jörg Dräger ist zufrieden. „Das Gutachten beeinhaltet viele Empfehlungen zur Steuerung und Verbesserung des Drogenhilfesystems“, lobt der parteilose Gesundheitssenator den 200 Seiten starken Abschlussbericht zur „Evaluation des Hamburger Suchthilfesystems“, den er gestern stolz der Öffentlichkeit präsentierte.
Das rund 150.000 Euro teure Gutachten des Kölner Instituts „Fogs“ betont, dass Hamburg in den 90er Jahren ein vorbildliches Drogenhilfesystem mit breiter Angebotspalette und effizientem Steuerungskonzept aufgebaut, dieses zuletzt aber zu wenig weiterentwickelt habe. Trotz einer Vielzahl von Suchthilfeeinrichtungen gebe es „Schwachstellen“ in der Versorgung.
So fordern die Kölner Gutachter, verstärkt auch die Nutzer legaler Drogen wie Alkohol durch suchtmittelübergreifende Angebote in das Hilfesystem einzubeziehen. Darüber hinaus würden junge drogenabhängige Menschen durch das bestehende System nur schwer und damit meist zu spät erreicht.
Auch müssten die ambulante Behandlung und die Rehabilitation Abhängiger ausgebaut und deren Selbsthilfe gestärkt werden. Zudem kommen die Gutachter zu dem Schluss, dass suchtkranke Menschen nach ihrer Behandlung besser in die Gesellschaft reintegriert werden müssen, ausreichender Wohnraum und Beschäftigungsmöglichkeiten aber fehlen.
Die Studie empfiehlt, mehr staatlich finanzierte Drogentherapien in die von den Krankenkassen bezahlte Regelversorgung abzudrücken – ein Anliegen, an dem sich aber schon die rot-grünen Koalitionen die Zähne bei den Kassen ausgebissen haben. Eine Überversorgung behaupten die Gutachter im Bereich der psychosozialen Betreung von Drogenkonsumenten. So seien in diesem Bereich im vergangenen Jahr pro Klient in der Hansestadt rund 2.500 Euro ausgegeben worden, in Berlin hingegen aber nicht einmal die Hälfte.
Da die Umsetzung der Evaluation vor allem unter dem Sparzwang des Haushalts steht – zwei Millionen des 20 Millionen Euro umfassenden Etats sollen bis 2007 wegrasiert werden – stellten Senator Dräger und sein Staatsrat Dietrich Wersich (CDU) gerade diesen Punkt in den Mittelpunkt ihrer gestrigen Präsentation des Abschlussberichtes. Hilfeeinrichtungen wie die „Brücke“, die „Palette“ oder das „Projekt psychosozialer Betreuung Substituierter“ in der Mendelsohnstraße dürften damit von dem bevorstehenden Streichkonzert besonders betroffen sein.
Die Gesundheitsbehörde will die Ergebnisse der Evaluation noch vor der Sommerpause mit den Trägern der Drogenhilfe und den Krankenkassen diskutieren. Im Herbst soll dann ein „umsetzungsorientierter Vorschlag“ der Gesundheitsbehörde die geplante Umstrukturierung der Suchthilfe einleiten.