: Das Haus in Montevideo
■ Zu Beginn der 90er Jahre: Hochdeutsches im Ernst-Waldau-Theater
Es ist schon ein anspruchsvolles Vorhaben von Regisseur Rolf B. Wessels, im Ernst-Waldau-Theater den hochdeutschen Klassiker „Das Haus in Montevideo“ zu inszenieren. Man muß sich bei der Realisierung dieses auch mehrfach - unter anderem vom Autor Curt Götz selbst - verfilmten Stückes an großen Vorbildern messen lassen.
Um alles ja recht fein zu machen, wurde für die Hauptrolle des überstreng moralisierenden Gymnasialprofessors Dr. Traugott Hermann Nägler eigens ein auswärtiger Gast (Wolfgang Feu
stel) engagiert, der den in ihn gesetzten Erwartungen auch durchaus gerecht wird. Die Frau an seiner Seite, Marianne (Dorothea Dröge) ist die personifizierte Mütterlichkeit. Ein Dutzend Kinder steht im ersten Akt akkurat wie die Orgelpfeifen auf der Bühne, vom Vater dressiert und von der Mutter betreut. Außer der ältesten, heiratsfähigen Tochter Atlanta (von Marianne Staudacher spritzig gespielt), allesamt LaiendarstellerInnen, die aufgeregt, doch mit großer Freude dabei sind.
Diese Idylle wird jäh gestört
und der moralische Rigorismus des verklemmten Professors auf eine harte Probe gestellt, als der Pfarrer (Von Wiegand Haar so gut gespielt, daß es fast eine Hauptrolle wird) die Nachricht überbringt, daß die in Uruguay lebende Schwester des Professors gestorben ist. Sie war, als junges Mädchen unehelich schwanger, von ihrem Bruder mit Schimpf und Schande aus dem Haus gejagd worden. In der uruguayischen Kapitale Montevideo zu Reichtum gekommen, hinterläßt sie nun eine ansehnliche Erbschaft - jedoch mit Klauseln versehen, mittels derer sie sich an ihrem hartherzigen Bruder rächt.
Gymnasialprofessor, Pfarrer und Tochter Atlanta schiffen sich flugs nach Südamerika ein und erleben in Montevideo ihr blaues Wunder.
Und die Moral von der Geschichte - der Pastor spricht sie am Schluß aus und es fallen einem sofort Leute ein, die man kennt und die in einigen Landstrichen gehäuft auftreten: „Nichts ist so schmutzig wie eine schmutzige Phantasie oder eine zu morali-sche.“
Das Haus in Montevideo war, entgegen der Annahme des Professors, eben doch kein Puff.
Berni Kelb
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