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Das Grauen zugespachtelt

■ Der Bremer Kunstförderpreis ist vergeben: Bilder über die schleichende Vernichtung der Vernichtungslager

Wie herrlich der KZ-Wachturm doch in der Mittagssonne glänzt; wie malerisch er den Buchenwald überragt; wie hübsch sich das Vernichtungslager in die Landschaft fügt – das muß man einfach festhalten. Wieviele Fotoamateure ihren Buchenwald-Ausflug auf diese Weise verewigt haben, läßt sich kaum ahnen. Für die Bremer Künstler Markus Löffler und Andrees Korpys dokumentiert sich in diesen Schnappschüssen der fahrlässige Umgang der Deutschen mit den Gedenkstätten des Holocaust. Und darum haben sie es den Touristen gleichgetan – jedenfalls beinahe: Die KZ-Fotos in ihrer schaurigen Beschaulichkeit standen Modell für eine Bilderserie, die uns einen Blick in die Abgründe des ganz normalen Deutschtums öffnet. Das Konzept von Löffler und Korpys wird am Samstag mit dem Bremer Förderpreis für Bildende Kunst ausgezeichnet; derzeit sind die Bilder in der Städtischen Galerie ausgestellt.

Damit hat die Jury auch eine Risikofreude belohnt, die den übrigen Bewerbern fast völlig abgeht. 138 junge Künstlerinnen und Künstler (zwischen 25 und 40 Jahren) aus Bremen und Umgebung hatten ihre Arbeiten eingesandt; 15 kamen in die engere Auswahl und sind nun ab 20.2. ausgestellt. Einige Objekte, vor allem aber Malerei – „es hängt wieder mehr an der Wand“, beschreibt Galerieleiter Manske die Tendenz. Unter allen Malern und Grafikern aber ragt die wagemutige Konzeption von Korpys & Löffler weit heraus – und bietet, trotz des eindeutigen Jury-Votums, sicher Anlaß zu Diskussionen, wie und ob man sich überhaupt dem undarstellbaren Komplex künstlerisch nähern kann.

Das eigentliche Thema ist natürlich nicht der Holocaust. In den liebreizenden Gemälden kommt vielmehr das Verhältnis der Deutschen zu ihrer Vergangenheit, und zu den Monumenten des Massenmordes, an die Oberfläche. Die Vernichtungslager erscheinen hier im zarten Schmelz der Ansichtskarten-Fotografie. Aller Schrecken ist scheinbar von ihnen genommen; friedlich lagern sie in der romantischen, alldeutschen Sonnenlandschaft. Hier ist die kollektive Strategie, alles Unbequeme in Wohlgefallen aufzulösen, aufs Grauenhafteste aufgegangen; hier ist das pathologische Bemühen, selbst das geschichtlich Unvergleichbare in den deutschen Alltag einzugemeinden, zum Bild geronnen. Das halten uns die Künstler jetzt vor Augen.

Allerdings nicht als Kopie der Touristenfotos. Um die Banalität der Bilder herauszustellen, haben sich Korpys und Löffler eines seltenen Kunstgriffs bedient: Sie beauftragten einen Plakatmaler, alle vier Motive getreulich abzumalen, Wolke für Schäfchenwolke, Blatt für Buchenblatt. So erscheinen auch die Lagerbauten jetzt im plakativen Duktus einer Eisreklame – und machen uns vor lauter Sonnenschein frösteln.

Dieser Kunstgriff, das Malen-lassen, ist zwar nicht eben neu. Was vor zehn Jahren als provokative Geste galt, gewinnt hier aber eine neue Qualität. Es entsteht eine Distanz, die uns die eigene Distanziertheit zu diesem Thema vor Augen führt. Vor allem haben diese Bilder eine Glätte, die mehr sagt als jeder noch so aufgewühlte Pinselstrich: Hier wird Geschichte zugespachtelt; hier soll endlich wieder Ruhe herrschen im Lande. Thomas Wolff

Ausstellung zum Förderpreisvom 20.2. bis 13.3., Städtische Galerie (Buntentorsteinweg 112), Di.-Fr. 10-16 Uhr, So. 11-16 Uhr

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