in fußballland : Das Geheimnis der Vuvuzela
CHRISTOPH BIERMANN über den Fußball in Südafrika und die Gefahr, dass dieser einfach weggeblasen wird
Christoph Biermann, 44, liebt Fußball und schreibt darüber
Leider werde ich meine neue Lieblingsfußballzeitschrift wohl kaum noch zu lesen bekommen. Sie erscheint zwar weiter regelmäßig an jedem Mittwoch, bedauerlicherweise aber im fernen Südafrika. Und in die Welt hinausgeliefert wird Soccer Laduuuuuma!, die wohl einzige Zeitung auf diesem Globus mit einem fünffachen „U“ im Namen, auch nicht. So werden mir fortan Woche für Woche wunderbare Interviews entgehen, die von einer beispielhaften Nähe zwischen Fragern und Befragten zeugen. „Hi Stevie, wir gehen mal davon aus, dass es dir gut geht“, ist so ein Gesprächsauftakt von prototypischem Reiz. Eine schöne erste Frage ist auch das schlichte: „Was geht so ab?“
Von solchen Einstiegen könnte man sich hierzulande mal ’ne Scheibe abschneiden. „Hallo Klinsi, alles in Ordnung mit dir“, würde gleich für eine ganz andere Gesprächsatmosphäre sorgen. Soccer Laduuuuma! jedenfalls ist auf diese Weise zur auflagenstärksten Fußballzeitschrift im Land der übernächsten Weltmeisterschaft geworden. „Laduma!“ ist übrigens das Zulu-Wort für „Donner“ und wird von den Radio- und Fernsehreportern dann gerufen, wenn ein Tor gefallen ist. Somit ist „Laduuuuuma“ das südafrikanische Gegenstück von „Goooool“, was die Männer an den Mikrofonen aber in zumeist gespenstisch leere Stadien rufen. Denn so sehr der schwarze Südafrikaner den Fußball liebt, so entschlossen lehnt er den Besuch im Stadion ab.
Mein Kollege Mark stellte mir sogar ungeheure Reichtümer in Aussicht, wenn ich die Formel finden würde, mit der man die Fußballbegeisterten ins Stadion holen könnte. Denn abgesehen von den Spielen der Nationalmannschaft und denen der beiden Giganten aus Johannesburg, Orlando Pirates und Kaizer Chiefs, sind die Stadien leer. Was übrigens fast wörtlich zu nehmen ist, wenn zum Abstiegsderby zwischen dem FC Santos und den Manning Rangers aus Durban an einem wunderbaren Freitagabend ins Athlone-Stadion von Kapstadt gerade mal 400 Zuschauer kommen. Trotzdem nennt sich der FC Santos trotzig „The People’s Club“, verbietet seinen Peoplen aber den Genuss von Alkohol im Stadion, denn schon seit vielen Jahren wird der Klub von einer muslimischen Familie geführt. Beim Lokalrivalen Ajax gibt’s zwar Bier, trotzdem bleiben 39.000 von 40.000 Plätzen im Stadion leer, doch wirklich leer fühlt es sich weder da noch dort an.
Für eine Art akustischer Fülle sorgt nämlich die Vuvuzela, das Symbol des südafrikanischen Fußballs. Seit Mitte des letzten Jahrzehnts ist dieses im weitesten Sinne Musikinstrument in allen Stadien des Landes zu hören. Ja, es gilt der Regenbogen-Nation sogar als eine ihrer originären Hervorbringungen, um deren Ursprung sich allerlei Mythen ranken. Sogar eine Kirchengemeinde beansprucht die Erfindung der Vuvuzela für sich, die aber andererseits auf prächristlich rituelle Benutzung eines Antilopenhorns zurückgehen soll. Dabei handelt es sich bei der Vuvuzela eigentlich um nicht mehr als eine unterarmlange Tröte aus Plastik oder Blech, die aber verblüffend laut ist.
Sie erzeugt ein Tuten, das dem Tröten eines Elefanten ähneln soll, auf das aber auch so mancher Ozeandampfer neidisch wäre. Angeblich ist Vuvuzela ein Zulu-Wort und bedeutet „Krach machen“. Es gibt aber auch die Übersetzung „gut gemacht“, was einen gewissen Sinn für Ironie verraten würde, denn was sollte gut gemacht daran sein, mit ein paar hundert Elefanten oder Ozeandampfern im Stadion zu sitzen. Vielleicht ist der Fußball auch wegen dieses Getutes in seiner Qualität eher bescheiden und es fallen so wenig Tore. Denn schon beim Zuschauen wird man davon gelähmt, wie sollte es den armen Spielern anders gehen?
Dass die heimischen Zuschauer zum eifrigen Gebrauch der Vuvuzela angehalten werden, um den Gegner zu verunsichern, und dabei dem alten Sinnspruch, „Der Affe wird durch viel Krach erlegt“, folgen, ist ein Irrweg. So schwebt auch die übernächste WM in der Gefahr, weggeblasen zu werden, denn 2010 soll die Vuvuzela zum offiziellen Instrument der Endrunde werden.