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■ GastkommentarDas Faß läuft über

Die Entscheidung des AEG-Konzerns, in Berlin und Brandenburg mehr als 1.500 Arbeitsplätze zu vernichten und die Schienenverkehrstechnik auf den Standort Hennigsdorf zu konzentrieren, bedeutet mehr als eine der inzwischen „üblichen“ Hiobsbotschaften aus der gebeutelten Elektro- und Metallindustrie. Sie könnte der berühmte Tropfen sein, der bei den heute (und vielleicht morgen) betroffenen Belegschaften das Faß zum Überlaufen bringt.

Denn wie in einem Brennglas kommen bei dem AEG-Kahlschlag, der ausgerechnet vom Daimler-Benz-Konzern und dem „Berlin-Bekenner“ Edzard Reuter zu verantworten ist, typische Versäumnisse von Management und Politik zum Vorschein:

– Schon 1983, als die damalige AEG dem Konkurs nahe war, hat das Land Berlin den Konzern mit dem Umzug auf neue Produktionsflächen massiv unterstützt. Nur zehn Jahre später steht der hochmoderne Standort Nonnendammallee in Spandau schon wieder zur Disposition.

– 1991 bekam die AEG den Zuschlag für das Werk Hennigsdorf, weil sie der Treuhand den Erhalt von 3.100 Arbeitsplätzen zusagte. Jetzt soll diese „Garantie“ ausgerechnet dadurch erfüllt werden, daß an beiden Standorten erst entlassen und dann in Hennigsdorf „aufgefüllt“ wird. Zynischer geht es kaum.

– Erst vor wenigen Wochen drohte ein „Schlüssel-Auftrag“, nämlich der Bau von 100 neuen S-Bahnen für Berlin, ganz an der AEG vorbeizugehen. Nur die Proteste der Belegschaften und der IG Metall haben dazu geführt, daß der Auftrag neu aufgeteilt wurde. AEG-Management und die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg hatten schlicht geschlafen.

Und der Skandal droht weiterzugehen. Vor wenigen Tagen bekam Berlin „grünes Licht“ aus Bonn, die S-Bahn für mehr als acht Milliarden Mark auszubauen und zu modernisieren. Vor diesem Hintergrund ist der Kahlschlag der AEG kurzsichtig und unverantwortlich: Er kommt ausgerechnet zu einer Zeit, in der die Hauptstadt endlich Ernst machen kann mit der Vorfahrt für den öffentlichen Nahverkehr.

Spätestens der Paukenschlag bei der AEG macht deutlich: Es ist allerhöchste Zeit, daß sich das Management der Schienenverkehrs- Hersteller, die beiden Landesregierungen von Berlin und Brandenburg, betroffene Belegschaften und IG Metall an einen Tisch setzen. Sonst verspielen wir eine der wenigen Chancen, Ökologie und Ökonomie miteinander zu versöhnen: Vorfahrt für die Schiene und Arbeit für alle Standorte. Horst Wagner

Der Autor ist IG-Metall-Bezirksleiter Berlin-Brandenburg.

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