: „Das FBI scheut sich immer noch“
■ US-Bürgerrechtlerin Angela Lowry zu Verschwörungstheorien und Vernetzungen militanter und nichtmilitanter Rechtsradikaler
Angela Lowry ist Mitarbeiterin der „Militia Task Force“ des „Southern Poverty Law Center“ (SPLC), einer Bürgerrechtsorganisation in Alabama, die Aktivitäten und Entwicklungen der rechtsradikalen Szene in den USA dokumentiert. Die taz sprach mit Lowry in Washington.
taz: Was unterscheidet eine „Militia“-Gruppe von einer „Patriot“-Gruppe?
Angela Lowry: Beide teilen dieselbe Ideologie, in der staatliche Institutionen durchweg als feindlich und bedrohlich angesehen werden. Diese Opposition reicht von Steuerboykott und Ablehnung eines Führerscheins über massiven Protest gegen jede Form staatlicher Waffenkontrolle bis zu Verschwörungstheorien über eine bevorstehende staatliche Diktatur und den Ausverkauf amerikanischer Souveränität an „dunkle, internationale Kräfte“. Diese radikale Opposition gegen den Staat ist häufig, aber nicht zwangsläufig mit Antisemitismus, dem Glauben an die Überlegenheit der weißen Rasse und einer pseudotheologischen Legitimation als „auserwählte Gruppe“ angesichts einer herannahenden Apokalypse verbunden. Innerhalb dieser „Patriot“-Bewegung unterscheiden sich die Milizen dadurch, daß sie eine militärische Hierarchie einhalten, sich bewaffnen, und bewaffnete Einsätze oft in „Manövern“ üben. Der gemeinsame Nenner der Bewegung ist zweifellos der Haß auf den Bundesstaat und seine Repräsentanten wie zum Beispiel das FBI.
Wie weit ist die „Patriot“-Bewegung mit rechtsradikalen Gruppen wie etwa dem Ku-Klux-Klan, Skinheads der „Aryan Nation“ oder der „National Alliance“ verflochten?
Da haben sich in den letzten Jahren immer mehr Querverbindungen herausgebildet – nicht zuletzt, weil neonazistische Organisationen auf die „Patriot“-Bewegung zugegangen sind. Auch auf internationaler Ebene, vor allem nach Europa und Südafrika, sind die Kontakte intensiviert worden. Neue Kommunikationstechnologien, vor allem das Internet, spielen dabei eine ganz große Rolle – nicht nur was die nationale und internationale Vernetzung angeht. Man verbreitet seine Propaganda nicht mehr durch dubiose, schlecht gedruckte oder kopierte Rundbriefe und Zeitungen, sondern richtet sogenannte „Websites“ ein. Der Austausch rechtsradikaler und antistaatlicher Propaganda auf dem Internet hat der Bewegung eine ganz neue ideologische Kohärenz gegeben.
Das „Southern Poverty Law Center“ hatte das US-Justizministerium schon vor dem Attentat in Oklahoma City vor Gewalttaten aus dem Spektrum der Milizenbewegung gewarnt, ohne daß dem größere Beachtung geschenkt worden wäre. Sehen Sie auf Seiten staatlicher Behörden jetzt mehr Bereitschaft, gegen solche Gruppen vorzugehen?
Gerade die Bundesbehörden haben in den vergangenen Jahren aus einigen katastrophalen Fehlern gelernt – und in den letzten Monaten hat man einige Ermittlungs- und Fahndungserfolge gesehen. Aber gleichzeitig scheut sich das FBI immer noch, Haftbefehle zügig zu vollstrecken – aus Angst vor einer militanten Auseinandersetzung mit diesen Gruppen, die in aller Regel schwer bewaffnet sind. Die seit über zwei Wochen andauernde Belagerung der sogenannten „Freemen“ in Montana ist ein Beispiel. Diese Leute haben sich seit 20 Monaten auf dieser Farm befunden und ihre kriminellen Aktivitäten von dort organisiert.
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