■ Die UNO versucht Urheberrechte im Internet zu definieren: Das Ende des Copyrights
Delegationen aus 160 Staaten saßen in Genf drei Wochen lang zusammen. Danach überraschten sie die mäßig interessierte Weltpresse mit der Nachricht, nunmehr sei das weltweite Urheberrecht auch im Internet geschützt. Die international akzeptierten Regeln nämlich seien sinngemäß auch auf geschützte Dokumente im Internet anzuwenden.
Nur ist genau das nicht möglich. Die digitale Revolution kennt nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer. Nicht nur Verlage fürchten, ihr Privileg bei der Bildung öffentlicher Meinung zu verlieren, auch Politiker und Werbeagenturen sehen das gut eingeübte Rollenspiel mit den Medienredaktionen in Gefahr. Daß das (geistige) Privateigentum im Netz nicht zu schützen ist, hat technische Gründe – die Folgen aber kommen der alten linken Forderung nach der Vergesellschaftung auch der geistigen Produktion erstaunlich nahe. Denn Computernetze wie das Internet heben die Arbeitsteilung von Sendern und Empfängern auf, die nicht zuletzt auch für das Einkommen von Verlagen entscheidend ist.
Daran kann keine UNO-Organisation etwas ändern. Die Genfer Konferenz der „World Intellektual Property Organisation“ hat denn auch nur nachvollzogen, was technisch unvermeidlich ist: Sie hat anerkannt, daß eine „temporäre Speicherung“ von Dokumenten nicht unter das Urheberrecht fallen müsse.
Allerdings hat sie nicht ausgeführt, was eine „temporäre Speicherung“ ist. Sie mußte darüber schweigen, um überhaupt etwas sagen zu können. Wenn Dokumente im Internet zirkulieren, entstehen elektronische Kopien manchmal automatisch, manchmal absichtlich. Der Unterschied ist nebensächlich, „temporär“ sind sie alle. Digitale Dokumente in Netzen sind vorübergehende Formulierungen, man kann sie verknüpfen, weitersenden, verändern oder löschen.
Die Urheberrechtskonvention dagegen, auf die sich die UNO beruft, stammt aus dem Jahr 1886. Sie definiert in erster Linie Rechte der Verlage, keineswegs die der Autoren. Deshalb haben die Autoren auch keinen Grund, diese Konvention bis in alle Ewigkeit zu verteidigen. Denn nun, im der Ära des Internet, geht es um das (noch nicht kodierte) Recht auf digitale Kopien. Dieses Recht schützt die Meinungsfreiheit und nicht nur wirtschaftliche Interessen der Publizistik. Und es gilt für alle, für Konsumierende wie Produzierende gleichermaßen. Niklaus Hablützel
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