piwik no script img

Das Ende der Geisteranrufe

■ Die Telekom nimmt neues Maklerprogramm aus der Leitung. Viele Kunden hatten unversehens zwei Gesprächsteilnehmer am Apparat und zahlten doppelt

1,4 Millionen Berliner Haushalte können jetzt mit dem Aufatmen beginnen: Die Telekom wandelt auf dem Weg der Besserung und nimmt die Kunden wieder ernst. Denn mit den geheimnisvollen Geisteranrufen an manchen Telefonanschlüssen ist erst mal Schluß. Die Telekom-Direktion in Bonn hat gestern beschlossen, ihre jüngsten Serviceleistungen „Makeln, Anklopfen und Dreierkonferenz“ vorübergehend aus dem Programm zu nehmen. Damit konnte seit Anfang des Jahres jeder digital vernetzte Apparat zwei Anschlüsse gleichzeitig in der Leitung haben, so daß ein Gespräch zu dritt, eine sogenannte „Dreierkonferenz“, möglich war. Zwei von drei Berliner Telefonanschlüssen sind digitalisiert.

Der neue Service hat allerdings ein paar Probleme mit sich gebracht: Die Dreierkonferenzen kamen auch unfreiwillig zustande. Wenn nämlich zwischen Auflegen und Anwahl eines neuen Gesprächs weniger als 0,94 Sekunden lagen (ein kurzes Antippen der Gabel reicht dafür nicht), bimmelte das Telefon bei dem zuerst Angerufenen erneut. War das z.B. ein Anrufbeantworter, wurde das Gespräch doppelt abgerechnet. Bei einem Anrufbeantworter wurde das Gespräch außerdem noch aufgezeichnet. Der ursprünglich angewählte Mensch hatte dagegen die Wahl: Lege ich auf und kappe damit die Leitung oder höre einfach mal zu, weil gerade meine Freundin dran war und jetzt mit ihrer besten Freundin von ihrem neuen Lover schwärmt.

Offenbar haben sich viele Kunden bei der Telekom über diesen neuen Pannenservice beschwert und Rückvergütungen verlangt. Zu genauen Zahlen hüllt sich die Telekom allerdings in Schweigen. „Es waren einige“, sagt der Sprecher der Bonner Zentrale, Stephan Althoff in vornehmer Zurückhaltung. Gleiches gilt für die Summen, die bis dato den Beschwerdeführern angeblich „großzügig“ zurückerstattet wurden. Jedenfalls, so räumt der Sprecher ein, gäbe es offensichtlich „noch einige Schwachpunkte“. Trotzdem ist man in der Führungsetage der Telekom verunsichert. „Schließlich hat sich dieses System international bewährt“, sagt ihr Sprecher.

Kopfzerbrechen bereiten offenbar einige Kundenbeschwerden. So wisse man zum Beispiel noch nicht, warum es vorkam, daß der ursprünglich Angerufene zurückruft, es also bei dem Anrufer bimmelt. Denn eigentlich soll die Nummer nur beim Anwähler gespeichert sein.

Völlig unsicher ist noch, wie lange dieser Service jetzt auf Eis gelegt wird. Man werde „sorgsam die Technik überprüfen“, verspricht der Telekom-Sprecher. Klar ist, daß der Service im Laufe der Woche bei allen Anschlüssen „deaktiviert“ wird. Klar ist auch, daß Leute, die mit diesem Service bislang zufrieden waren, auf ausdrücklichen Wunsch ihn weiter behalten dürfen. Aber das war ja schon vor 1996 möglich. Christoph Oellers

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen