■ Das Diepgen des Tages: Elmar Pieroth – ganz extrem ostsensibel
Sensibel sei er, schrieben die Zeitungen, „ostsensibel“. Elmar Pieroth, damals Finanzsenator und aussichtsloser CDU-Direktkandidat im fernöstlichen Wahlkreis Hellersdorf, hatte sich glatt mit seiner PDS-Kontrahentin Petra Pau auf ein und dasselbe – rote? – Sofa gesetzt. So gut verstand sich der Mann aufs Kuscheln mit den Sozialisten, dass manche Auguren schon neue Koalitionen heraufziehen sahen. Schließlich ist es bis heute nichts als Ideologie, was die Partei der Ostspießer von der der Westspießer trennt.
Doch leider hat es Pieroth mit der Anpassung an die Gebräuche der untergegangenen DDR ein bisschen weit getrieben. Denn die Westberliner Parteifreunde, die Pieroth zum intimen Plaudereinsatz ins Plattenbau-Wohnzimmer abkommandierte, mussten Bericht erstatten – das hat der Spiegel jetzt herausgefunden. Pieroths Ehefrau Hannelore, die den west-östlichen Gedankenaustausch organisierte, habe die Papiere eingesammelt.
Die umworbenen Multiplikatoren im Osten sind über die Enthüllung wenig amüsiert. „Das liest sich wie meine Stasi-Akte“, empörte sich einer der Besuchten. Um „Rückkopplung“ sei es gegangen, redet sich Pieroth nun heraus. Als ob das eine Entschuldigung wäre! Um nichts anderes als eine „Rückkopplung“ zwischen SED-Parolen und dem real existierenden Volk ging es doch schon Mielkes Mannen.
Und solch ein Missgeschick bei Pieroth, der stets als netter Onkel durch die Lande zog. Nichts blieb an ihm hängen von den Weinskandalen im heimischen Familienbetrieb. Als Finanzsenator betrieb er Gutmütigkeit auf Pump. Und als Wirtschaftssenator lamentierte er so lange über seine Amtsmüdigkeit, bis Bürgermeister Diepgen ihn endlich ziehen ließ. Wie sensibel von ihm! Molly Bluhm
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