: Das Buch als Benutzerfreund
■ Bald schlägt er aus, der „1. Norddeutsche Bücherfrühling“, featuring „Criminale“
Herr Sieglin ist in seinem Element, wenn nicht schon drüber raus: „Ein Buch, das bietet ein breites Spektrum und kann zu vielen Anlässen benutzt werden. Ja, Bücher sind eigentlich für alle da!“ Juppheida, möchte man hinzufügen, wenn's nicht so ernst stünde um's Buch und seine Benutzung.
Herr Sieglin ist Buchhändler, Vertreter des Landesverbandes der Buchhändler und Verleger und also Mitveranstalter des „1. Norddeutschen Bücherfrühlings“, der gestern der Presse an's Herz gelegt wurde und „breiten Bevölkerungsschichten“ Bucherlebnisse vermitteln soll.
Als Anreger firmieren der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und fünf nördliche Ministerpräsidenten; ja, Mecklenburg-Vorpommern inklusive. Höchstselbst ist Henning Scherf zur Pressekonferenz gekommen, obwohl er ja streng genommen kein Ministerpräsident ist. Aber als Kultursenator muß man das norddeutsche Buch mitvertreten und darum hat er „sich gemerkt“, daß es pro Frühlings-Tag ein Schwerpunktthema gibt. Beteiligt sind am Frühling fast alle bremischen Verlage, fast aller Buchhandel, das Literaturkontor, die Stadtbibliothek und die Rudolf- Alexander-Schröder-Stiftung.
Es ist nicht so, daß wir dem Buch seinen Frühling nicht gönnen, wir wünschen ihm sogar noch einen Sommer dazu, aber was nützt es bloß dem Buch, wenn in einem Extra-Zelt Zinn gegossen wird, Burghard Pieske Trauminseln auf Dias erläutert und man Super-Learning learnen kann am Beispiel einer Fremdsprache? Okayokay, Oldie-but- Goldie-Thomas-Franke wird miträsonnieren zum Podiumsthema „Bremen und Buch“, Bremer Buchschaffende werden sich die Seiten in die Hand geben und dann kommen doch auch Carola Stern und Lew Kopelew, obwohl keine echten Bremensien. Eben Hauptsache, die Bücher schlagen aus, und wir stecken ein, was wir kriegen können. Mein persönlicher Höhepunkt ist die „Literaturund Weinlese“ in Vegesacks Strandlust mit Dr. Sybil Gräfin Schönfeldt (früher freilaufende Glossistin in „Brigitte“), die mit einem Prof. Dr. Henschel kritisch (!) Buchneuerscheinungen besprechen will, während zwei berühmte Weingüter ihre Spitzenweine vorstellen.
Zufall, daß sich zur gleichen Zeit auch eine kriminelle Vereinigung in Bremen befindet, das SYNDIKAT, die Vereinigung deutschsprachiger KriminalschriftstellerInnen, die sich bei ihrer „7. Criminale“ vom Publikum observieren lassen will. Organisiert haben unsere drei einschlägigen Autoren: Jürgen Alberts, Detlef Wolff — und Jürgen Breest, der diesjährige Syndikats-Preisgewinner für den besten deutschsprachigen Krimi. Glückwunsch: 10 000 DM in kleinen Scheinen! Spannungshöhepunkte: Diskussionen um den ostdeutschen und den Sozio-Krimi.
Die Frage bleibt und zwickt: Ist der Untergang des Buches und damit des Abendlandes zu stoppen mit Burghard Pieske? Wahrscheinlich ja. Claudia Kohlhase
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