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Das Ausland über Kohl

DIE ANDEREN

Die Kommentatoren führender Zeitungen des europäischen Auslandes lassen in ihrer Blätter keinen Zweifel daran, daß sie ähnlich wie die Londoner konservative Tageszeitung 'The Times‘ in den deutsch-sowjetischen Vereinbarungen „das größte politische Bravourstück“ von Bundeskanzler Kohl sehen. Allerdings ist im Blick auf die Folgen des jüngsten Treffens zwischen Kohl und Gorbatschow in der UdSSR für Europa und über den Stil des „Kanzlers der deutschen Wiedervereinigung“ ('Basler Zeitung‘) Skepsis unüberhörbar.

'Le Figaro‘ fragt: „Ist Gorbatschow nicht zu Zugeständnissen bewegt worden, weil er spürt, daß ihm die Zeit fehlt?“ Und weiter: „Die sowjetische Wirtschaft stockt. ... Die von der Bevölkerung zurückgestoßene Partei bröselt. Die Union fliegt in Stücke. Die einzige Chance, die Gorbatschow bleibt ..., besteht darin, eine kräftige Hilfe des Westens zu erhalten. Besonders von diesem von Dynamik und Gesundheit strotzenden Deutschland ...“

Daß ein vereintes Deutschland nun nicht mehr verhindert werden kann, weckt bei der schwedischen Zeitung 'Dagens Nyheter‘ „gemischte Gefühle“. Deutschland „wird größer als seine Nachbarn und erhielt dementsprechend Einfluß und Verantwortung“. Das deutschsprachige belgische 'Grenz-Echo‘ geht noch weiter: „Nicht nur in London, sondern auch in Paris, in Rom oder in Brüssel stellt man und darf man wohl auch die Frage stellen, ob das vereinigte Deutschland mit besten Beziehungen zur Sowjetunion nicht den Ausgleich der Kräfte innerhalb der Europäischen Gemeinschaft gefährdet.“

Die britische Presse reagierte auf das deutsch-sowjetische Treffen positiv. 'The Guardian‘: „Er (Kohl) ist es, der das Tempo der Integration bestimmt. Er ist es, der die Truppenstärken reduziert. Er ist es, der die Verbindung zum sonst ausgeschlossenen Moskau herstellt. Er ist es, der die Einheit der Nato bewahrt. ...“

Die französische 'Liberation‘ meint zu dem politischen Stil Kohls: „Kohl wirkt wahrlich nicht wie ein Hürdenläufer mit langen Beinen. Sein Stil ist eher der eines Bulldozers.“ Der Amsterdamer 'De Volkskrant‘ schreibt dagegen: „Über die Art, wie Kohl die deutsche Einheit betreibt, kann man unterschiedlich urteilen. Aber eines ist sicher. Seine Politik ist äußerst erfolgreich.“

Besorgnis über das Treffen äußert die israelische Zeitung 'Ma'ariv‘: Mit sichtlicher Zustimmung „steigert Deutschland sein Tempo in Richtung auf den Spitzenplatz in Europa, von wo aus es irgendwann wieder seinen Blick auf den Spitzenplatz in der Welt richten wird“.

dpa

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