: Dann läßt noch jemand eine Bratpfanne fallen Von Carola Rönneburg
Wie dem aufmerksamen Leser sicher nicht entgangen ist, haben nahezu alle Kolumnisten dieser Seite in den letzten zwölf Monaten das schöne Wort „Bratpfanne“ in ihren Texten untergebracht. Hintergrund dieser seltsamen Vorliebe ist ein Abkommen, das im vergangenen Jahr auf unserer Kolumnistenkonferenz getroffen wurde: An diesem Abend verpflichtete sich jeder Autor, bis zum 30. Juni 1997 mindestens einmal und möglichst unauffällig eine „Bratpfanne“ in einer seiner Geschichten auftauchen zu lassen.
Nachdem schon Herr Sotscheck sein sprachliches Geschick unter Beweis stellte, indem er Bratpfannen und englische Tories auf unnachahmliche Weise miteinander verband („Dann läßt jemand eine Bratpfanne fallen“) und auch Frau Fischer mit dem Bratpfannen auf elegante Weise ihr Plansoll erfüllte, bin nun ich an der Reihe.
Es ist gar nicht so einfach, en passant mit einer Bratpfanne aufzuwarten, und bis vor kurzem sah ich dem vereinbarten Abgabetermin sorgenvoll entgegen. Dank einer glücklichen Fügung aber brannte vor einer Woche der Keller meines Hauses. Sämtliche Leitungen, Kabel und Rohre wurden dabei eingeschmolzen – mehrere Mitmieter mußten ein ganzes Wochenende ohne Licht, Eiswürfel und vor allem ohne Fußballübertragungen verbringen. Mit einer Ausnahme haben fleißige Handwerker die Schäden inzwischen behoben. Die Ausnahme heißt „Gasleitung“ und betrifft nur noch einen Haushalt: meinen.
Eine „Unterbrechung der Gaszufuhr“ heißt nicht nur, daß man kalt duschen soll. Viel schwerer wiegt, daß sie die Zubereitung warmer Mahlzeiten verhindert. Im Sommer ist das eine Weile auszuhalten – nach dem fünften Salattag stellen sich allerdings unweigerlich Probleme ein: Mein Gemüseassistent trat in einen unbefristeten Streik. Er wolle nicht länger Tomaten teilen, erklärte er, sondern „Kartoffeln schälen und Möhren putzen und Kräuter hacken und diese kleinen wieheißensienoch würfeln und überhaupt ...“ Und überhaupt hatte er recht. Was uns fehlte, war eine Lammkeule oder, besser noch, eine gefüllte Kalbsbrust – ein Essen, das mit langen Vorbereitungen verbunden ist, derweil man Wein trinkt, sich Geschichten erzählt und Musik hört. Der Gemüseassistent recherchierte telefonisch, wer von unseren Freunden demnächst einen Urlaub antreten würde und verschwand danach für einige Stunden aus dem Haus. Eine Stunde vor Ladenschluß kehrte er zurück und warf mehrere Schlüsselbunde auf den Tisch. „Heute gehen wir nach Neukölln“, schlug er vor.
Beladen mit Lebensmitteln und zur Sicherheit mit allerlei, möglicherweise nicht vorhandenem Kochgeschirr ausgestattet, fielen wir kurze Zeit später in die erste unserer Leihküchen ein und wärmten den Ofen vor. Der Gemüseassistent schnitzte mit verklärtem Blick kleine Kartoffelfiguren; ich sah begeistert einem Stück schmelzender Butter zu. Wir bastelten uns eine Suppe und eine leckere Lammkeule und verspeisten alles bis auf den letzten Rest. Sehr viel später widmeten wir uns dem Abwasch und schleppten schließlich unsere vollen Bäuche sowie unsere Ausrüstung gen Heimat. Auf dem Weg hielten wir plötzlich inne. Irgendwo, dort draußen in der Nacht, heulte eine Bratpfanne den Mond an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen