: Dann kommt der Separator
■ Die Texte mußten einfach raus: „Elektronikfitzler“ Hans Platzgumer auf Heimkehrertour mit „Aura Anthropica“, neuen Aufnahmen zur Lage der Nation
Programmierte Musik ist der Renner in den späten Neunzigern. Das weiß mittlerweile jeder Nachwuchsmusiker. Als aber der Österreicher Hans Platzgumer plötzlich mehrere EPs mit Elektronik-, Easy- und TripHop-Listening veröffentlichte, kam das trotzdem etwas überraschend. Seinen Namen assoziierte man in erster Linie mit okayer Gitarrenschaffe, mit Indie- und College-Rock, mit seiner Band H.P. Zinker, mit New Yorks Lower East Side.
Von der Wahlheimat Amerika hatte Platzgumer allerdings schon geraume Zeit die Nase voll. Nicht nur daß ihm die amerikanische Lebensweise „auf den Zeiger“ ging, wie er sagt, diese „anscheinend untrennbare Verbindung aus Kunst und Kommerz“. Auch mit H.P. Zinker war er künstlerisch an einem Endpunkt angelangt: „Aus Zinker war ein enges, eingefahrenes Ding geworden, in das man keine neuen Einflüsse mehr reintragen konnte: Wenn wir zu dritt im Proberaum standen, spielten wir wieder nur unseren alten Stiefel herunter.“
So kehrte er endgültig zurück nach Europa. Erst in die Heimat, später nach Hamburg, wo Platzgumer allerdings nicht nur mit den Knöpfchen spielt, sondern auch den Baß bei den Goldenen Zitronen. Abgesehen davon, daß er sich mit den Zitronen gut versteht, kann er einfach nicht ganz darauf verzichten, „auszurasten, zu schwitzen und Live-Exzesse zu haben“.
„Aura Anthropica“, so der Titel seiner elektronischen Aufnahmen, sei ganz schnell aus ihm herausgeflossen, auch vor dem Hintergrund des „Wahnsinns“, der sich in seinem Kopf abgespielt hätte: „Es war ein Kulturschock, nach sechs Jahren Amerika in das kleine, enge, superkonservative Österreich zurückzukehren. Ich war entsetzt, wie wenig in diesem Land passiert ist, um wieviel schlimmer insbesondere politisch dort alles geworden ist.“
Vorgeworfen wurde Hans Platzgumer bei Erscheinen der Aufnahmen die Hausbackenheit seiner wenigen Lyrics. Da ist vom „blinden und stummen Volk“ die Rede, vom „Pöbel“ und der „Masse“, die der „Bauernfänger H.“ hinter sich hat. Kritik, die ihn nicht unberührt ließ, doch „tiefschürfende Analysen oder polittheoretische Texte“ wollte er auch gar nicht machen: „Ich war zu der Zeit richtig depressiv, und die Texte mußten einfach raus, so altbacken und emotional sie nun auch klingen mochten.“
Letztlich ist „Aura Anthropica“ für Platzgumer längst wieder Geschichte, und wie sehr nun aus dem Indie-Rocker ein „Elektronikfitzler“ geworden ist, wird die Zukunft zeigen. Platzgumer arbeitet an diversen anderen Projekten, veröffentlicht demnächst ein Album mit dem beziehungsreichen Titel „Der Separator“ („Das wird eine reine Geräuschplatte mit Techno- Tracks und rhythmischen Durchgeknalltheiten“), und er saß an den Reglern für das neue, im Juni erscheinende Tocotronic-Album. Live on stage will er auf der Basis der „Aura Anthropica“-Stücke mit einem Computer „Sounds und Loops erstellen“, die dann mittels diverser Effektgeräte gemischt und verfremdet werden. Ein DJ ist natürlich auch dabei. Gerrit Bartels
Hans Platzgumer: Aura Anthropica. 17.4. Hamburg, Mojo-Club; 18.4. Berlin, Kalckscheune; 19.4. Leipzig, Conne Island
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