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„Dann ist Schluß“

■ Den Bremerhavener Schiffbauern war nicht zum Feiern zumute, als die Costa Victoria nach Genua entschwand

Günther Buggel steht an Deck der „Costa Victoria“, seine kräftigen Hände versinken in den Hosentaschen seines „Blaumanns“. Der Bordelektroniker von der Bremerhavener Schichau-Seebeck-Werft hat „wie verrückt“ malocht, damit der mächtige knallweiße Luxusliner pünktlich zur Taufe fertig wird - trotz Konkurs des Vulkan-Werften-Verbundes. Stolz ist er, schließlich haben die Vulkanesen das bisher größte in Deutschland gebaute Passagierschiff auf den Weg gebracht. Doch als die grüne Magnumflasche Champagner an diesem Samstag am knallweißen Bug zerplatzt, weiß Buggel nicht, ob er lachen oder weinen soll: Denn Taufpatin Carla Costa und Reedereichef Nicola Costa nehmen die stolze „Victoria“ nach Genua mit, dann ist das vorerst letzte Schiff an der Unterweser vom Stapel gelaufen. Und keiner weiß, wie es weiter geht.

„Das ist das schlimmste“, sagt der 55jährige Bordelektroniker, lehnt sich an die Rehling und starrt in die Tiefe. Dort schreitet die italienische Taufpatin Carla Costa „ladylike“ mit elegantem Hut und Kostüm vom Rednerpult an der Columbuskaje. Die 1000 geladenen Gäste auf der Tribüne begleiten sie mit begeistertem Applaus. Buggel und seine Kollegen an Deck verziehen keine Miene. Sie sind sichtlich enttäuscht. Heute hatten sie endlich eine verbindliche Zusage für das noch größere Schwesterschiff der Victoria, die Costa Olympia, erwartet. Sie liegt zur Zeit im Dock der Vegesacker Werft. Doch der italienische Reedereichef hielt sich bei der Taufzeremonie bedeckt: „Wir können noch einige Zeit warten, wie es mit der Zukunft der Werften hier weitergeht. Wir sind nicht im Druck.“

Der 55jährige Arbeiter von der Schichau-Seebeck-Werft weiß, was das bedeutet: „Der Costa nimmt seine Victoria mit. Und dann kommt der erstmal so schnell nicht wieder.“ Immer wieder seien auf der Werft Gerüchte zu hören, daß eine norwegische Werft vielleicht den Zuschlag erhält. Für seine Kollegen und ihn der „sichere Todesstoß.“ Sechs Monate lang haben sie auf der Victoria gearbeitet, seit das 600 Millionen teure Schiff der Superlative zum Endausbau in der Bremerhavener Lloyd-Werft lag. Trotz Konkursverfahren und zähen Verhandlungen mit Reeder Costa haben sie das Schiff nach einer weiteren Galgenfrist von vier Wochen fast fertiggestellt. „Um ehrlich zu sein: einen Monat für Restarbeiten müssen wir noch dranhängen“, sagt der Elektroniker und sperrt eine Decktür auf. Hinter der edlen Holztür versteckt sich der hohle Zahn: Wilder Kabelsalat, Mülltüten und jede Menge Schutt. „Doch die 200 Mann, die von uns mit nach Genua fahren, das sind nur die Privilegierteren“, sagt der Mann an Bord. Er selbst würde morgen von Bord gejagt. Und dann? „Dann tut sich mächtig viel in unserer Personalabteilung“, mehr will Buggel dazu nicht sagen. „Nur noch eins: Für viele ist dann Schluß.“

Davon wollten die Verantwortlichen auf der Taufzeremonie nichts wissen. „Wir müssen die Zweifler überzeugen“, sagte Bremens Wirtschaftssenator Harmut Perschau. Die Victoria sei ein wichtiger Beweis, daß die Unterweser-Werften leistungsfähig sind, befanden auch die beiden Konkursverwalter Jobst Wellensiek und Wolfgang van Betteray. Kein Wort über die Forderungen der EU, noch mehr Werftteile stillzulegen und Arbeitsplätze abzubauen. Kein Wort über die 150 Millionen Verlust beim Bau der Victoria, die erheblich zu den Liquiditätsproblemen des Vulkan beigetragen haben. Nicht eine Silbe über die unerlaubten Beihilfen von 72,1 Millionen Mark, die das Land Bremen der Costa Victoria noch zugeschanzt haben soll.

Unten an der Columbuskaje steht Heinz Dötsch, fernab von Festgästen und Rednerpult. Der Sicherheitsmeister von der Schichau-Seebeck-Werft in Bremerhaven gibt sich ähnlich zweckoptimistisch. Vom strahlenden weiß der Costa Victoria geblendet, zückt Dötsch seinen gelben Stahlhelm und schwärmt von der schwimmenden kleinen Stadt auf dem Meer. „Dieses Schiff läßt keine Wünsche mehr offen“, sagt er zu dem fast 253 Meter langen Koloß. Alle Werftarbeiter vom Vulkan-Verbund hätten dieses Super-Schiff aufgebaut. Von der tollen Schiffselektronik von STN-Atlas Elektronik, über das Super-Design bis zur luxuriösen Ausstattung. Über 2200 Passagiere werden dort in 964 Luxuskabinen weltweit auf Kreuzfahrt gehen. Von Zukunftsängsten will er nichts wissen, sein Stolz über die tolle Leistung scheint alles andere zu überdecken: Wer so etwas leiste, könne nicht baden gehen. „Das Bangen bringt nichts. Wir hoffen auf neue Aufträge“, sagt er und verweist schnell auf die Eisenbahnfähre. Die komme jetzt auf der Lloyd-Werft als nächstes dran. Kein Wort über EU-Kommissar Karel von Miert, der die Bremer Bürgschaften über 210 Millionen Mark für die beiden Fährschiffe noch immer nicht genehmigt hat.

Als Konkursverwalter Wellensiek zum Mikrofon geht, ist von Dötsch nur ein leises Räuspern zu hören: „Wir werden uns mit Nachdruck dafür einsetzen, den Schiffbau hier mit möglichst vielen Arbeitsplätzen zu erhalten.“ Während in Bremen und Bremerhaven das Bangen weitergeht, nimmt die Costa Victoria Kurs auf Genua. In einer Stunde ist der Bremerhavener Überseehafen nur noch ein unsichtbarer Streif am milchigen Horizont. Katja Ubben

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