: Dana und Daniel Von Ralf Sotscheck
Sie war das beliebteste Staatsoberhaupt der Welt: 90 Prozent der Iren waren laut Umfrage mit ihrer Präsidentin Mary Robinson zufrieden. Doch am vorigen Freitag ist die 53jährige zurückgetreten. UN- Generalsekretär Kofi Annan hat sie zur UN-Hochkommissarin für Menschenrechte ernannt. Vorletzten Samstag wollte die Nation bei einem Straßenfest von ihr Abschied feiern, doch weil am selben Tag England Abschied von Diana feierte, wurde nichts draus.
Jetzt fängt das Gerangel um die Robinson-Nachfolge an, am 30. Oktober wird gewählt. Die Kandidaten, die genannt werden, lassen nichts Gutes ahnen. Die Schlagersängerin Dana soll es werden, finden einige, denn immerhin ist sie eine Frau. Doch da enden die Gemeinsamkeiten mit Mary Robinson. Während jene das Recht für Frauen erstritt, als Geschworene berufen sowie unabhängig vom Ehemann besteuert zu werden und für die Legalisierung der Homosexualität sorgte, will Rosemary Brown, wie Dana im richtigen Leben heißt, die Uhr am liebsten wieder zurückdrehen. Ihre Politik ist die Religion, der Katholizismus habe ihr „ekstatische Erfahrungen“ beschert.
1970 gewann Dana-Rosemary, die im fernen Alabama lebt, mit ihrem Lied „All Kinds Of Everything“ als erste Irin das Eurovisions-Kampfsingen. Damals freute man sich noch beim irischen Fernsehen RTE. Seitdem man Abonnementsieger ist und andauernd den halben Jahresetat für die Ausrichtung des grausamen Spektakels ausgeben muß, ist die Freude etwas gedämpft.
Danas Kollege Daniel O'Donnell hat das Wettsingen noch nie gewonnen, was eigentlich für ihn spricht. Sein Genre ist Country'n' Irish, was wiederum gegen ihn spricht. Als Präsident wäre er freilich vorzüglich geeignet. Er ist der sauberste Saubermann, denn Irland je hatte: Um den 36jährigen gab es noch nie den Hauch eines Skandals, er besucht auch mitten in der Nacht die Alten und Kranken, er liebt seine Mutti und ist fanatischer Teetrinker. Er ist der einzige, der sowohl an der Spitze der Schlagerparade als auch der Kirchenliedhitliste stand. Jeden Sommer fallen 5.000 Fans in sein Heimatdorf im Nordwesten Irlands ein. Daniel serviert ihnen dann Tee, und Mutti schmiert Butterbrote.
Ältere Frauen drehen durch, wenn O'Donnell in der Nähe ein Konzert gibt – und nicht nur in Irland. Im englischen Grimsby mußte eine 70jährige mit Unterkühlung ins Krankenhaus gebracht werden, weil sie stundenlang für eine Eintrittskarte angestanden hatte. Sie kämpfte beherzt gegen die Sanitäter und gab erst auf, als ihr Sohn versprach, den Platz in der Schlange freizuhalten, während man sie auftaute.
RTE versuchte einmal vorsorglich, O'Donnels Ruf zu ruinieren, falls er doch mal am Eurovisions- Wettbewerb teilnehmen wollte, doch der Schuß ging nach hinten los. Als O'Donnell ein Hotel neben Muttis Haus bauen ließ, porträtierte ihn RTE als Norman Bates aus Hitchcocks „Psycho“. Der Sender wurde fast von einer weißhaarigen Brigade gestürmt.
Am besten wäre es, Dana und Daniel heirateten und würden als Präsidentenpaar gewählt. Dann nähen wir uns eine Mickymaus in die Trikolore und machen „All Kinds Of Everything“ zur Nationalhymne. Und wandern aus. Nach Alabama.
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