: Da hört es auf, amüsant zu sein
betr.: „Aufs Zimmer gehen“ von Lilly Brand, taz Magazin vom 14. 2. 04
Für wen schreibt Lilly Brand? Im Auftrag ihrer Therapeutin? Um Aufklärung zu betreiben? Um unseren Voyeurismus zu bedienen? Eine ehemalige Prostituierte schreibt über ihren ehemaligen Arbeitsalltag. […] Relativ emotionslos, in diesem Falle allerdings auch relativ verharmlosend.
Die Kurzbiografie erzählt uns, dass Frau Brand mit einer Schlepperbande nach Berlin gebracht wurde, d. h. illegal. Hier würde es spannend. Kam sie freiwillig, kannte sie ihr künftiges Arbeitsgebiet, wurde sie bezahlt oder ausgenutzt?
So amüsant bis „befremdlich“ die Einblicke in die männliche Sexualität erscheinen, so sollte nicht vergessen werden, dass zur Bedienung dieser Bedürfnisse sich tausende Frauen in Europa zwangsprostituieren müssen, bar jeglicher Rechte. In der griechischen Ausgabe von Marie-Claire vom Mai 2002 heißt es, dass junge Frauen, die in die Hände von Menschenhändlern geraten, innerhalb von zwei bis drei Jahren zerstört sein können. Mit zerschlagenen Zähnen, kaputter Leber und kaputtem Atemwegsystem und vielen Krankheiten behaftet. „Ein Mensch im Verfall begriffen.“
Da hört es auf, amüsant zu sein. Wer sich über die Gefühle von Frauen informieren will, die zur Prostitution gezwungen und jahrelang als Gefangene gehalten wurden, dem sei das Buch von Germaine Aziz empfohlen: Geschlossene Häuser, Die Lebensgeschichte einer Prostituierten, Verlag Neue Kritik, Frankfurt 1981.“
RUTH KUMMER, Serres, Griechenland