: Da hilft nur noch Galgenhumor
Das angekündigte Fußballfest beim Champions-League-Viertelfinale Bayern München– Borussia Dortmund gerät zur Harmlosigkeitsdemonstration und endet 0:0 ■ Von Nina Klöckner
München (taz) – Die Chance ließ sich Franz Beckenbauer natürlich nicht nehmen. Normalerweise muß der Präsident des FC Bayern München nach den Autritten seiner Mannschaft noch einmal schlafen, bevor er dem Volk in seiner Kolumne näherbringen darf, was er vom Gekicke seines Ensembles hält. Aber bei internationalen Vorstellungen gibt ihm Günther Jauch regelmäßig die Gelegenheit, seine Kritik schon kurz nach dem letzten Pfiff durchs Land zu schicken. „Wir hatten genug Chancen“, sprach er also nach dem 0:0 seiner Mannschaft im Champions- League-Spiel gegen Borussia Dortmund in die Kamera, „aber so, wie die im Moment verwertet werden, haben wir das im Training wohl nicht genug geübt.“
Stimmt nicht. Trainer Giovanni Trapattoni hatte schon geahnt, worauf es bei diesem „wichtigsten Termin im Jahr“ ankommt, und im letzten Training noch einmal kräftig den Torschuß proben lassen. Nur leider von Bixente Lizarazu und Alexander Zickler.
Die saßen am Mittwoch abend aber beide auf der Bank, als Carsten Jancker den Ball einfach nicht im Kasten unterbrachte, weil „einmal der Pfosten und einmal der Schuh im Weg war“. In letzterem steckte Julio Cesar, der Janckers Gewaltschuß von der Linie bolzte, was Bayerns Manager Uli Hoeneß „auf der Bank fast wahnsinnig“ werden ließ. Das war allerdings schon in der 49. Spielminute. Bis dahin war nicht viel passiert. Dortmund beherrschte in Halbzeit eins das Mittelfeld – weil man schon dort „mit Manndeckung spielte“, analysierte Christian Nerlinger seinen künftigen Arbeitgeber –, brachte aber vorne nichts Zählbares zustande. Die Bayern stapften etwas verunsichert übers Rasenviereck und versuchten erst mal hinten keinen reinzukriegen, was ihnen in den letzten beiden Bundesliga-Partien ja nicht immer geglückt war. Besonders attraktiv war das nicht. Gerade mal drei Torschüsse zählte der offizielle Uefa-Statistiker im ersten Durchgang, und das erwartungsfrohe Publikum pfiff beim Seitenwechsel mit Inbrunst, weil ihnen Bayern- Präsident Beckenbauer schließlich ein „Fußballfest“ versprochen hatte und die Münchner auch sonst einiges gutzumachen haben bei ihrem Anhang.
Das ließ selbst die bayerischen Millionäre nicht kalt, weshalb sie beschlossen, „unseren Zuschauern nicht noch mal eine solche Halbzeit präsentieren zu dürfen“, wie Mehmet Scholl verriet. So wirkten sie in den zweiten 45 Minuten zumindest etwas frischer. Genützt hat es nichts, Mario Basler handelte sich mit einem Dutzend verunglückter Flanken den Unmut der Anhänger ein, Jancker (56.) schoß noch einmal neben, Elber (63.) übers Tor. Und weil es bei den Bayern nicht so recht klappen wollte, half zwischendurch Dortmunds Steffen Freund ein bißchen aus und köpfte eine Ecke von Mario Basler an den eigenen Innenpfosten.
Die Westfalen hatten nur eine große Chance, als Heiko Herrlich in der 70. Minute erst Lothar Matthäus stehen ließ und dann auf Chapuisat flankte. Der köpfte den Ball freundlicherweise übers Tor. Dortmunds Trainer Nevio Scala fand das 0:0 trotzdem „in Ordnung“, wie er eigentlich alle Auftritte seiner Elf findet. Dabei weiß in Dortmund jeder, daß dieser Wettbewerb die letzte Chance für die Borussen ist, auch im nächsten Jahr weiter im internationalen Geschäft zu bleiben.
Kollege Trapattoni war dagegen gar „nicht zufrieden“, obwohl er noch mehrere Möglichkeiten hat, seine Kicker aber erst schlecht gespielt und dann auch noch „kein Glück“ hatten. Manager Hoeneß war nach dem Spiel bemüht, seine Angestellten zu beruhigen. „Wenn die besten europäischen Mannschaften gegeneinander spielen, gewinnt man nicht so einfach“, sagte er. Erst recht nicht, „wenn man den Gegner auf der Flucht erschießt“, sagte Scholl. Kompagnon Jancker nahm dann auch alle Schuld auf sich. Von Pech wollte er nichts wissen. „Den zweiten muß ich machen.“ Hat er aber nicht, weshalb er schon mal vorsichtshalber ermittelte, wie lange er nicht mehr getroffen hat. Fünf Spiele genau, jetzt könne man sich ausrechnen, wie viele Minuten das sind. „Wie bei Klinsmann“, sagt Jancker und grinst in die Runde. Im Moment bleibt ihm auch nichts anderes übrig. „Man kann es nur mit Galgenhumor nehmen.“
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