: DIW: Tiefer wirtschaftlicher Einbruch
■ Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung prognostiziert über 16 Prozent Arbeitslose nach der Währungsunion / Stillhalteabkommen bei Löhnen angeraten / Leichte Besserung im Jahre 1991
Berlin (ap) - In den ersten Monaten nach der Währungsunion erwartet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eine drastische Zunahme von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit in der DDR. Bis 1991 dürfte sich die Zahl der Arbeitslosen nach Schätzung der Experten verzehnfachen. Um diesen Anstieg zu bremsen, riet das DIW in seinem am Donnerstag veröffentlichten jüngsten Wochenbericht, die Lohnerhöhungen ab 1. Juli vorerst auf zehn Prozent zu begrenzen.
Mit dem schwierigen Übergang zur Marktwirtschaft sagt das Institut anfangs einen „tiefen Einbruch“ bei Produktion und Beschäftigung voraus. Die Arbeitslosigkeit, von der Mitte Juni rund 130.000 Menschen oder 1,2 Prozent der abhängigen Erwerbspersonen betroffen waren, wird demnach bis 1991 auf 1,4 Millionen oder 16,5 Prozent steigen. Mehr als eine Million Menschen werden kurzarbeiten, 250.000 als Pendler in die Bundesrepublik fahren und insgesamt 425.000 Erwerbsfähige übersiedeln. Die Zahl der Erwerbstätigen ginge damit gegenüber 1989 um 2,1 Millionen auf 7,2 Millionen zurück.
Das verfügbare Einkommen der Privathaushalte wird nach Schätzung der Experten in diesem Jahr um vier Prozent zurückgehen, 1991 aber durch staatliche Unterstützungszahlungen und Lohnerhöhungen von voraussichtlich 20 Prozent wieder um vier Prozent steigen. Die hohen Lohnsteigerungen trügen mit dazu bei, die Abwanderung in die Bundesrepublik in Grenzen zu halten, obwohl der Druck aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit in der Anfangsphase der Währungsunion noch einmal zunehmen werde, hieß es. Wenn aber das Ausmaß an Arbeitslosigkeit geringer gehalten werden solle, müßten die Lohnabschlüsse niedriger ausfallen.
Um dennoch deutliche Signale in Richtung eines Reallohnanstiegs zu setzen, „sollte man sich auf eine mittelfristige Lohnleitlinie vom 1. Juli dieses Jahres an einigen, die bei einer Rate von etwa zehn Prozent liegen könnte“. Eine höhere Produktivität könnten durch Einmalzahlungen ausgeglichen werden.
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