DIE WAHRHEIT: Schwabinger Krawall
Gewundert hat sich der Jackie schon, dass er zu einem Klassentreffen eingeladen wird,...
... von der Babette, die er damals nach der Abiturfeier auf der Hochsprungmatte mit der Gabi verwechselt und den Irrtum erst bemerkt hat, wie ihm die Gabi ihren Stöckelschuh auf den Hinterkopf gehauen und gebrüllt hat, seine nächste Chemie-Abiturprüfung könne er selber schreiben.
Jedenfalls, hat der Jackie gesagt, wolle er da auf keinen Fall hin, weil er den alten Schmarrn nicht aufrühren und sich von Strebergasköpfen stinklangweilige Babyfotos unter die Nase halten lassen wolle. Aber der Hubsi hat gesagt, ein Klassentreffen sei ein biografischer Meilenstein, und schließlich kämen nicht nur Strebergasköpfe, sondern zum Beispiel auch die Bini, und deshalb werde er mitgehen, obwohl er in der Parallelklasse gewesen sei.
Auf der Feier hat der Jackie niemanden erkannt, dafür aber die Babette ihn und ihm ein Handyfoto von einem ungefähr Zehnjährigen gezeigt, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten war. Da ist dem Jackie die Tüte mit den zehn Bierflaschen, die sie wegen der Ankündigung, es gebe Kaffee und Kuchen, unterwegs gekauft hatten, aus der Hand gefallen. Wie er am Boden in den Scherben herumgekrochen ist, ist sein alter Geschichtslehrer, der Hitler-Heinzmann, dahergekommen und hat gesagt, er habe nichts anderes erwartet, als dass der Jackie nach zehn Jahren immer noch alles tue, um das Ansehen der Schule in den Dreck zu ziehen. Derweil hat der Hubsi gebrüllt, die Bini solle ihm den Schuh aufblasen mit ihrem Sorgerecht, und da ist die Sache ungemütlich geworden, also sind sie gegenüber der Schule in das Café, wo der Jackie immer seine Englisch- und Lateinstunden abgesessen hat.
Dort haben sie sich an einen Tisch mit einem Französisch-Leistungskurs in der Abiturvorbereitung gesetzt, zwei Bier bestellt und drauflosschwadroniert. Der Hubsi hat sich mit einer Renate angefreundet und ihr lauter Voulez-vous-Sachen und solches Zeug erzählt. Wie der Jackie zu einer blonden Sonja gesagt hat, er sei praktisch staatlich geprüfter Nachhilfelehrer und könne ihr über das Französische hinaus den einen oder anderen Tip geben, hat er gemerkt, dass der Hubsi verschwunden war.
Wiedergetroffen hat er ihn auf der Hochsprungmatte, und dass er im Dunkeln die Sonja mit der Renate und der Hubsi die Renate mit der Sonja verwechselt hat, ist ihm erst aufgefallen, wie ihm die Sonja den Stöckelschuh auf den Kopf geschlagen und gebrüllt hat, er sei das letzte Dreckschwein. Dann hat der Hausmeister aus dem Fenster gebrüllt, es sei der Gipfel, dass der Jackie und der Hubsi nach zehn Jahren immer noch nichts Besseres zu tun hätten, als das Ansehen der Schule in den Schmutz zu ziehen.
Beim Renato hat der Jackie gesagt, ein Schulhaus werde er erst wieder betreten, wenn er als Tafel wiedergeboren werde, und der Hubsi hat noch zwei Bier bestellt und gar nichts mehr gesagt, sondern lange mit dem Kopf genickt und dabei vermutlich an die Bini oder die Renate oder die Sonja oder irgendetwas ganz anderes gedacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!