DIE STEUERPLÄNE VON HEIDE SIMONIS SIND VERNÜNFTIG : Gerechtigkeits-Mix aus Schleswig-Holstein
Wer wissen will, wie gegenwärtig in Deutschland über Verteilungsfragen debattiert wird, muss sich nur mal den Streit um die Steuervorschläge der schleswig-holsteinischen Regierungschefin Heide Simonis (SPD) anschauen. Vernünftiges hat Simonis darin vorgeschlagen, nämlich die Mehrwertsteuer und die Erbschaftsteuer zu erhöhen, Hochverdiener stärker zu belasten und das Ehegattensplitting zugunsten einer Eltern-Kind-Förderung zu kappen. Alles Vorschläge, die irgendwer schon mal gemacht hat in den Gerechtigkeitsdebatten der vergangenen Jahre, aber nicht so gebündelt.
Was folgt nun auf diese Vorschläge? Die übliche Abwehrschlacht. Methode eins: scheinbarer Pragmatismus. So sagt Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD), die CDU/CSU im Bundesrat habe nun mal leider die Mehrheit, und deswegen könne man die Simonis-Pläne nicht realisieren. Rührend, wie ein SPD-Minister hier für die Union spricht. Methode zwei: die Flucht ins Allgemeine. So werfen CDU und FDP Simonis „billigen Populismus“ und „alte linke Rezepte“ vor. Auch sie setzen sich mit den Vorschlägen aus Schleswig-Holstein kaum inhaltlich auseinander. Dabei hätte sich das gelohnt.
Denn längst hat sich herumgesprochen, dass die Agenda 2010 nun mal die Steuerzahler mit Höchsteinkommen begünstigt und die Niedrigverdiener prozentual stärker belastet, weil diese die höheren Krankenversicherungsbeiträge, Praxisgebühren und andere Zuzahlungen zahlen müssen. Die Simonis-Pläne wären also nur eine Korrektur, und konjunkturverträglich ist das Gesamtpaket auch.
Trotzdem aber steht heute diejenige sofort unter Verdacht, politisch unvernünftig zu sein, die sich mit der Verteilungsfrage kühl und detailliert beschäftigt. Regierungs- und Oppositionspolitiker, die solche Themen nicht mehr richtig auf die Agenda lassen, setzen dabei uneingestanden auf einen Überdruss in der Bevölkerung – weil die Verteilungsfrage zu komplex für die Behandlung in den Massenmedien ist, weil die Politik der Bevölkerung unterstellt, der Politik sowieso nichts mehr zuzutrauen. Die Abwehrreaktionen auf die Simonis-Pläne sind also auch ein heimliches Eingeständnis politischer Ohnmacht. Das ist bedrückend. BARBARA DRIBBUSCH